Wenn verdeckte Ermittler keine verdeckten Ermittler sind

In einer Haftsache bestritt ein Mann, der einem polizeilichen Scheinkäufer Kokain verkauft hatte, die Verwertbarkeit der Beweismittel, weil der Kauf ohne richterliche Bewilligung für eine verdeckte Ermittlung (vgl. Art. 7 BVE) veranlasst worden sei. Das Bundesgericht weist die Haftbeschwerde ab (BGer 1B_123/2008 vom 02.06.2008) und hält u.a. folgendes zur Verwertbarkeit fest:

Unter diesen Umständen ist es im Lichte der angeführten Literatur und kantonalen Rechtsprechung keineswegs zwingend, dass der Einsatz von “SK151” vom Bundesgesetz über die verdeckte Ermittlung erfasst wird und damit die daraus gewonnenen Beweise einem Verwertungsverbot unterliegen, weil unstreitig keine richterliche Genehmigung vorgelegen hat.
Wie es sich damit verhält, wird nach der dargelegten bundesgerichtlichen Rechtsprechung der Strafrichter im Hauptverfahren zu entscheiden haben. Seinem Entscheid darf im vorliegenden Haftprüfungsverfahren, in dem nach dem Gesagten keine abschliessende Beweiswürdigung vorzunehmen ist, nicht vorgegriffen werden. Hier genügt die Feststellung, dass die Verwertbarkeit der aus dem Einsatz von “SK151” gewonnenen Erkenntnisse prima facie keineswegs ausgeschlossen ist. Diese Erkenntnisse dürfen im Haftprüfungsverfahren daher grundsätzlich berücksichtigt werden. Anders verhielte es sich nur, wenn schon jetzt – bei einer Würdigung prima facie – klar wäre, dass die genannten Beweise einem Verwertungsverbot unterliegen (E. 2.7, Hervorhebungen durch mich).
Der Sachverhalt der Vorinstanz war für das Bundesgericht verbindlich. Dieser wird im Urteil so zusammengefasst:
Die Vorinstanz legt dar, aus dem Nachtragsbericht der Stadtpolizei über den Einsatz des polizeilichen Scheinkäufers “SK151” vom 24. April 2008 gehe hervor, dass aufgrund polizeilicher Vorermittlungen im Betäubungsmittelmilieu der Benutzer der Mobile-Nummer … als Drogenhändler vermutet worden sei. Darauf sei der Polizeiangehörige “SK151” unter entsprechenden Belehrungen als Scheinkäufer mit einer Kontaktaufnahme beauftragt worden. Anlässlich der telefonischen Kontaktaufnahme vom 1. April 2008 habe “SK151” gefragt, ob er mit X. – dem Beschwerdeführer – spreche. “SK151” habe sich dabei als “Henry” vorgestellt, der die Mobile-Nummer – so auf entsprechende Anfrage von X. – von einem Vladan erhalten habe. “SK151” habe gesagt, er würde gerne über “business” sprechen. Da X. auf einen direkten Anruf von Vladan bestanden habe, habe “SK151” X. erklärt, er – “SK151” – sei an einem direkten Treffen nicht interessiert. Unmittelbar nach diesem Telefongespräch sei “SK151” von X. per SMS hinsichtlich eines Treffens kontaktiert worden und sei ein solches auf 19.00 Uhr am “Central” vereinbart worden. Nach zwei Anrufen von X. kurz vor 19.00 Uhr, mit denen er den Treffpunkt habe verlegen wollen, habe man sich am “Central” getroffen und sich in ein dortiges Café begeben. Dort sei “SK151” – nachdem er auf Nachfrage von X. erklärt habe, Vladan, der die Mobile-Nummer vermutlich von Leuten aus der Bodenseeregion habe, halte sich zurzeit im Balkan auf – von X. nach der Art “business”, das er machen wolle, gefragt worden. Auf das kaum merkliche Naserümpfen von X. hin habe “SK151” mit einem Nicken reagiert. Nach der weiteren Frage von X., wie viel er wolle, habe “SK151” zurückgefragt, wie viel er habe. Darauf habe X. erklärt, er könne jede Menge besorgen. X. habe sodann “500”,”1 für 70″, angeboten. “SK151” habe das für zuviel gehalten und die Menge auf “200” reduziert zum Betrag von Fr. 14’000.–. Schliesslich sei ein weiteres Treffen auf den 3. April 2008 in einem mexikanischen Restaurant vereinbart worden, mit vorgängiger telefonischer Kontaktaufnahme. Nach dieser Kontaktaufnahme habe man sich um die Mittagszeit des 3. April 2008 in einer Bar getroffen. Dort habe X. unter dem Tisch ein Päckchen mit weissem Pulver gezeigt und “SK151” eine Kleinstmenge zur Überprüfung der Qualität übergeben. Nachdem “SK151” die Qualität für gut befunden habe, habe er sich für kurze Zeit von X. verabschiedet, um angeblich das Geld zu holen. Darauf habe die Polizei, welche den Vorgang beobachtet habe, X. verhaftet (E. 2.6).
Das also war prima facie nicht unbedingt eine verdeckte Ermittlung? In der Lehre wird ja neuerdings unterschieden zwischen “qualifizierter verdeckter Ermittlung”, für die eine richterliche Genehmigung erforderlich ist, und “einfacher verdeckter Ermittlung”, für welche das BVE nicht zur Anwendung gelangt. Für die einfache verdeckte Ermittlung ist dann wohl nicht einmal eine gesetzliche Grundlage erforderlich. Der einfache verdeckte Ermittler, der auch ohne gesetzliche Grundlage eingesetzt werden darf, kann dann wohl auch als “agent provocateur” auftreten, ohne dass dies zu einem Verwertungsverbot führen würde.
Warum schaffen wir eigentlich die Strafprozessordnung inkl. BVE nicht einfach ab und vertrauen (weiterhin) darauf, dass die Polizei schon die jeweils angemessenen Mittel einsetzt und – mangels Gesetz – den gesunden Menschenverstand oder die Vernunft als Massstab nimmt?