Wer trägt die Kosten der Verteidigung?
Nach Art. 429 Abs. 1 lit. a StPO hat die beschuldigte Person, deren Strafverfahren eingestellt wurde, Anspruch auf Entschädigung ihrer Aufwendungen für die angemessene Ausübung ihrer Verfahrensrechte. Dieser Anspruch wird von den Strafbehörden immer wieder mit dem Argument unterlaufen, der Beizug eines Verteidigers sei für die angemessene Ausübung der Verfahrensrechte nicht nötig.
Das Bundesgericht publiziert nun – nach über einem Jahr seit Eingang der Beschwerde – einen eher spärlich begründeten Entscheid dazu (BGE 6B_1105/2014 vom 11.02.2016, Publikation in der AS vorgesehen). In der Sache ging es um ein Übertretungsstrafverfahren, das ohne vorgängige Anhörung der beschuldigten Person zu einem Strafbefehl führte. Der danach beigezogene Anwalt führte für seinen Mandanten Einsprache, was zur Einstellung des Verfahrens führte. Den Standpunkt der Verteidigung fasst das Bundesgericht wie folgt zusammen:
Le recourant fait valoir qu’il a consulté un avocat non pas en raison du fait qu’une enquête pénale avait été ouverte contre lui, mais uniquement après s’être vu notifier une condamnation, soit un jugement emportant culpabilité quant à des faits au sujet desquels il n’avait jamais été entendu. C’était d’ailleurs à la suite de son intervention que le recourant avait été acquitté (E. 2.2).
Das erscheint mir als überzeugend genug. Das Bundesgericht geht aber einen anderen Weg. Es knüpft seinen Entscheid an die Tatsache, dass der Beschuldigte ohne Anhörung verurteilt wurde und danach gezwungen war, seine Verteidigung zu organisieren. Es stellt immerhin klar, dass Anwaltskosten je nach Konstellation auch im Übertretungsbereich vom Staat übernommen werden müssen. Massgeblich seien die Komplexität der Sache, die Dauer des Verfahrens und der Auswirkungen für die persönlichen und beruflichen Verhältnisse:
En l’espèce, la cause concerne une contravention. Toutefois, comme sus-mentionné (supra consid. 2.1), on ne peut pas partir du principe qu’en matière de contravention, le prévenu doit supporter en général seul ses frais de défense; il s’agit d’examiner la complexité de l’affaire en fait ou en droit, la durée de la procédure et de son impact sur la vie personnelle et professionnelle du prévenu. Le recourant a été condamné à 800 fr. d’amende par ordonnance pénale, sans avoir été préalablement entendu par le ministère public. L’opposition à une ordonnance pénale par le prévenu n’a certes pas à être motivée (art. 354 al. 2 CPP). En ce qui concerne la procédure à la suite de l’opposition, celle-ci a consisté en une audition du recourant par le ministère public, lors de laquelle le recourant a produit des documents attestant qu’il n’avait pas connaissance de l’ordonnance de mesures superprovisionnelles lorsqu’il a ordonné l’arrachage des pieds de vigne. Le recourant a été contraint d’organiser sa défense en ayant été condamné sans avoir préalablement eu la possibilité de s’exprimer. Dans une telle configuration, le recours à un avocat apparaît raisonnable. La cour cantonale a violé l’art. 429 al. 1 let. a CPP en déniant au recourant le droit à être indemnisé. Le recours doit être admis et la cause renvoyée à cette autorité pour qu’elle accorde au recourant une indemnité fondée sur l’art. 429 al. 1 let. a CPP et statue à nouveau sur les frais et indemnité de deuxième instance (E. 2.2).
Im selben Entscheid findet sich die Erwägung, die eigentlich nur dazu führen kann, dass die Anwaltskosten immer zu ersetzen sind:
Elle peut être accordée dans les cas où le recours à un avocat apparaît tout simplement raisonnable. Il faut garder à l’esprit que le droit pénal matériel et le droit de procédure sont complexes et représentent, pour des personnes qui ne sont pas habituées à procéder, une source de difficultés. Celui qui se défend seul est susceptible d’être moins bien loti. Cela ne dépend pas forcément de la gravité de l’infraction en cause. On ne peut pas partir du principe qu’en matière de contravention, le prévenu doit supporter en général seul ses frais de défense (E. 2.1, Hervorhebungen durch mich).
Dass sich das Bundesgericht dazu nicht durchringen kann, verstehe ich nicht, zumal es ja nicht der Anwalt ist, der den Anspruch hat, sondern der zu Unrecht in ein Strafverfahren involvierte Beschuldigte:
Der Beklagte hat mich erpresst, genötigt, abgezockt, verfolgt, bedrängt, belogen und bestohlen, gesundheitlich und finanziell ruiniert und trotz x-fachen nachweisbaren Beweismitteln hat die Staatsabwältin das Verfahren eingestellt und trotzdem, dass der einvernehmende Polizist im Protokoll schreibt, dass er mit einem Strafverfahren rechnen muss.
Da bin ich mit meiner Wissenschaft am Ende.
Ich konnte mir einen Anwalt nicht leisten. Muss ich die Anwaltskosten des Beklagten bei Einstellung des Verfahrens übernehmen?
@dähler lisa: in der Regel nicht, nur bei mutwilliger Anzeige.
Sehr geehrte Frau Dähler
Die Staatsanwaltschaft hat in Ihrem Fall – wie vom Polizisten offenbar in Aussicht gestellt – tatsächlich ein Strafverfahren eröffnet und durchgeführt. Nur kam die Staatsanwaltschaft offenbar zur Einsicht, dass kein Tatverdacht erhärtet ist, der eine Anklage rechtfertigt (mit anderen Worten: im Fall einer gerichtlichen Beurteilung wäre mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Freispruch zu erwarten) oder dass kein Straftatbestand erfüllt ist.
Hinweis: Gegen eine Einstellungsverfügung kann Beschwerde eingereicht werden.
In der Einstellungsverfügung müsste der Kostenpunkt stehen. Meint, Sie sollten dort sehen ob Ihnen die Kosten auferlegt werden. In der Regel sollte es aber nicht sein.
Vielleicht war der Beklagte ja ein guter Bekannter und Kollege in Justizkreisen, der geschützt werden musste? Oder es war ein Verfahren im Zusammenhang mit Familienrecht, da hat der Justizapparat wenig Lust.
Da kann der Staatsanwalt in seiner gut geschützten Werkstatt schon mal etwas kreativ werden in der Begründung der Einstellung, obwohl es meisst nicht über das Niveau von Textbausteinen hinausgeht.
Und da er ja weiss, dass noch nie ein Staatsanwalt wegen Begünstigung verräumt wurde, geht somit Alles seinen gewohnten Gang in einer Bananenrepublik.
Ad der Omlin wieder Wirklich? gab es in der Geschichte der Schweizer Justiz noch nie einen Staatsanwalt der wegen Begünstigung verurteilt wurde? Hier in Litauen kenne ich 4 Fälle nur in meiner Stadt Kaunas seit dem Jahr 1991.