Wer entsiegelt das Smartphone?
Noch immer glauben viele ZMG. sie könnten die Aussonderung von geschützten Informationen an Strafverfolgungsbehörden delegieren. Vielleicht versuchen sie auch bloss wider besseres Wissen zu delegieren in der Hoffnung, der Betroffene werde nicht nach Lausanne ziehen. Falls es so wäre, was ich hier nicht unterstellen will, hat sich das ZMG Glarus in einem aktuellen Fall (zwei Jugendliche, sichergestellte und gesiegelte iPhones) nun aber getäuscht.
Das Bundesgericht heisst die Laienbeschwerden gut (BGer 1B_247/2019 und 1B_275/2019, beide vom 12.08.2019), wiederholt ein paar wesentliche Grundsätze seiner Rechtsprechung und nimmt auch Aspekte auf, die in anderen Entscheiden (den sog. “Forster-Entscheiden”) m.W. nicht vorkommen. Ich versuche, das Wesentliche kurz zu zitieren:
Der Wortlaut von Art. 248 StPO ist in dem Sinne doppelt eindeutig, als er festhält, dass auszusondernde Aufzeichnungen von den Strafbehörden nicht nur nicht verwendet, sondern auch nicht eingesehen werden dürfen (Abs. 1) und dass über ein Entsiegelungsgesuch im Vorverfahren das Zwangsmassnahmengericht bzw. ansonsten das Gericht, bei dem der Fall hängig ist, zu entscheiden hat (Abs. 3); das Gericht kann dafür überdies eine sachverständige Person beiziehen (Abs. 4), wird also gesetzlich ermächtigt, sich Unterstützung zu organisieren. Zwar unterstehen sowohl die Strafverfolgungsbehörden als auch das Zwangsmassnahmengericht der Anzeigepflicht nach Art. 302 Abs. 1 StPO sowie dem Amtsgeheimnis gemäss Art. 320 Ziff. 1 StGB. Die in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bestätigte Zuständigkeit des Zwangsmassnahmengerichts für die Aussonderung dient aber nicht allein der Verhinderung von Zufallsfunden, sondern der Wahrung der unter verfassungsrechtlichem Schutz stehenden Privat- und Geheimsphäre (vgl. Art. 13 BV). Nur schon daher rechtfertigt es sich, dass ein Gericht und nicht eine Strafverfolgungsbehörde über die Massgeblichkeit sichergestellter Informationen entscheidet. In der Literatur wird dazu ausdrücklich festgehalten, “Ziel des Entsiegelungsverfahrens” sei es, “zu verhindern, dass Informationen zur Kenntnis der Strafbehörden gelangen, wenn die diesbezüglichen Voraussetzungen aufgrund der dem Gesetz inhärenten Interessenabwägungen nicht gegeben” seien (THORMANN/BRECHBÜHL, in: Niggli et al. [Hrsg.], Schweizerische Strafprozessordnung, Basler Kommentar, 2. Aufl., 2014, Art. 248 N. 40) bzw. “der Zweck der Siegelung” setze voraus, “dass ein neutraler, d.h. mit der Sachverhaltsermittlung nicht befasster, Richter über die Zulässigkeit der Durchsuchung vor deren Durchführung” entscheide, und die Zuständigkeit des Zwangsmassnahmengerichts erfülle diese Voraussetzung (THORMANN/BRECHBÜHL, a.a.O., Art. 248 N. 30). Dass hierbei allenfalls zwischen der Anordnung (E. 3.3, Hervorhebungen durch mich).
Sehr schön auch die Hinweise zur Effizienz und den Kosten:
Inwiefern eine Aussonderung durch die Untersuchungsbehörden sodann effizienter und kostengünstiger sein sollte, wie die Vorinstanz ebenfalls geltend macht, ist nicht ersichtlich. Der Aufwand ist für das Zwangsmassnahmengericht grundsätzlich derselbe, wobei es, wie dargelegt, gesetzlich ermächtigt ist, sachverständige Unterstützung beizuziehen. Im Übrigen würde sich selbst ein gewisser Mehraufwand mit Blick auf die zu schützenden Privat- und Geheimhaltungsinteressen rechtfertigen. Das steht nicht im Widerspruch zu Art. 43a Abs. 5 BV, wonach staatliche Aufgaben bedarfsgerecht und wirtschaftlich erfüllt werden müssen. Die staatliche Aufgabenerfüllung steht so oder so unter dem Vorbehalt der Beachtung der Grundrechte (vgl. Art. 35 Abs. 1 und 2 BV) und der für deren Verwirklichung erforderlichen organisatorischen und finanziellen Rahmenbedingungen (dazu etwa BERNHARD WALDMANN, in Waldmann et al. [Hrsg.], Bundesverfassung, Basler Kommentar, 2015, Art. 35 N. 49), was von Art. 43a Abs. 5 BV nicht eingeschränkt wird. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung ist daher wohl begründet und es besteht kein Anlass, davon abzuweichen. Im angefochtenen Entscheid wird denn auch keinerlei wissenschaftliche Kritik daran angerufen. Im Gegenteil wird im Schrifttum im Einklang damit etwa ausdrücklich festgehalten, “der Entsiegelungsrichter” (und nicht die Strafverfolgungsbehörden) habe, “sofern notwendig, die geheimnisgeschützten Aufzeichnungen und Gegenstände auszusondern” (THORMANN/BRECHBÜHL, a.a.O., Art. 248 N. 41) [E. 3.3, Hervorhebungen durch mich].
Und ich hatte den Glauben an Art. 35 BV schon aufgegeben. In beiden Fällen war das Eintreten übrigens kritisch:
Daraus geht nachvollziehbar hervor, dass der Beschwerdeführer die Bundesrechtswidrigkeit des angefochtenen Entscheids rügt. Diese sieht er in einer Verletzung seiner Privat- und Geheimsphäre und beruft sich dabei ausdrücklich auf die einschlägige bundesgerichtliche Rechtsprechung. Das genügt für eine Laienbeschwerde (E. 2.4).
Hier wurden hinsichtlich der Begründungsanforderungen wohl mit Blick auf die vorinstanzliche Begründung zwei Augen zugedrückt.
Zu SV B Schlusssatz: Das Vorbringen der Vorinstanz, die Staatsanwaltschaft könne keine Amtsgeheimnisverletzung begehen, da sie dem Amtsgeheimnis unterstellt sei, ist gleichwertig mit dem eines Beschuldigten, er könne kein Delikt begehen, da das gesetzlich verboten sei, dem der Ehebrecherin, sie könne die Ehe nicht gebrochen haben, da sie Treue in guten und schlechten Zeiten versprochen habe, und dem des Kindes, es könne die Bonbons nicht gegessen haben, da ihr die Mutter das Öffnen der Bonbondose verboten habe.