Wer gilt als selbständigerwerbend?
Unter welchen Voraussetzungen man in der Schweiz als selbständigerwerbend gilt, hängt ganz vom Rechtsgebiet ab, in dem sich die Frage stellt. (BGer 6B_1391/2019 vom 01.07.2020). Geht es nach Chauffeurverordnung ARV 1, steht es Art. 2 lit. b. Das war dem Obergericht BE aber wohl zu einfach, weshalb es jetzt nochmals über die Bücher muss:
Das Bundesgericht hat sich mehrmals zur Frage des Rechtsverhältnisses zwischen einer juristischen Person und ihren Organen geäussert. Dabei hat es tendenziell die Direktoren als Arbeitnehmer und die Verwaltungsräte als Beauftragte betrachtet oder für diese das Bestehen eines mandatähnlichen Vertrages sui generis angenommen. Übt ein Organ seine Tätigkeit hauptberuflich aus, ist für die Annahme eines Arbeitsvertrages jedenfalls entscheidend, ob es Weisungen erhält, beispielsweise vom Verwaltungsrat, und sich entsprechend in einem Abhängigkeitsverhältnis befindet (BGE 130 III 213 E. 2.1; BGE 128 III 129 E. 1a/aa; Urteil 4A_500/2018 vom 11. April 2019 E. 4.1; je mit Hinweisen). Kein Abhängigkeitsverhältnis besteht zwischen einer juristischen Person und dem sie wirtschaftlich beherrschenden Organ; es besteht mithin etwa kein Arbeitsvertrag zwischen einer Aktiengesellschaft und deren Aktionär und alleinigem Geschäftsführer (BGE 125 III 78 E. 4; Urteil 4A_500/2018 vom 11. April 2019 E. 4.1; je mit Hinweisen). Ebenso hat das Bundesgericht einen Arbeitsvertrag im Falle eines geschäftsführenden Minderheitsaktionärs verneint, der vom Mehrheitsaktionär keine Weisungen erhielt (Urteil 4A_10/2017 vom 19. Juli 2017 E. 3.2). Nicht entscheidend bei der Frage, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, sind hingegen formelle Kriterien, wie etwa die Leistung von Sozialversicherungsbeiträgen als Arbeitnehmer (Urteil 4A_10/2017 vom 19. Juli 2017 E. 3.1 mit Hinweis; GABRIEL AUBERT, in: Commentaire romand, Code des obligations I, 2. Aufl. 2012, N. 24 zu Art. 319 OR). Die Vorinstanz stellt in tatsächlicher Hinsicht fest, beim „Beschuldigten 1“ (recte: A.B.) handle es sich um den hauptverantwortlichen Arbeitgeber und Geschäftsführer der B. GmbH (…). Dass A.B. in dieser Stellung Weisungen erhalte oder nicht frei über den Einsatz der Fahrzeuge bestimmen dürfe, ist weder anzunehmen noch dem angefochtenen Entscheid zu entnehmen. Er ist demnach als selbständigerwerbend im Sinne von Art. 2 lit. b ARV 1 zu qualifizieren. Dasselbe gilt – nach dem Wortlaut der erwähnten Bestimmung – für seine Ehefrau, A.A. , und seinen Sohn, A.C. . Ob diese Personen auch originär als selbständigerwerbend zu betrachten sind, kann vorliegend offenbleiben (E. 1.4).