Wer ist gefahren?
In einem SVG-Verfahren im Kanton Bern war strittig, ob der Beschuldigte oder seine Ehefrau am Steuer sass.
Obwohl das Bundesgericht dem Beschwerdeführer in zwei Punkten recht gibt, weist es die Beschwerde ab (BGer 6B_1064/2015 vom 06.09.2016). Dass das Obergericht Bern zwei nicht ganz unwesentliche Aspekte übersehen hat, half dem Beschuldigten nicht:
Zwar übersieht die Vorinstanz offenbar tatsächlich, dass der Beschwerdeführer seine Aussageverweigerung damit begründet haben will, er sei nicht bereit und verpflichtet, seine Ehefrau zu belasten (vgl. nachfolgend E. 2.2 S. 6). Allerdings ist dies lediglich ein Punkt nebst zahlreichen anderen in ihrer Entscheidfindung, der nicht gleich ihre gesamte Beweiswürdigung willkürlich werden lässt (vgl. nachfolgend E. 2.3 f.). Da es sich somit nicht um einen entscheidwesentlichen Aspekt handelt, ist der Vorinstanz keine Gehörsverletzung vorzuwerfen, wenn sie die fragliche Aussage des Beschwerdeführers in ihre Beweiswürdigung nicht mit einbezieht (E. 1.3.1).
Und dann gleich:
Hingegen bringt der Beschwerdeführer zu Recht vor, die Vorinstanz setze sich mit seinem Eventualantrag und dessen Begründung nicht auseinander. Sie hat ihn anscheinend übersehen und damit den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt. Dies führt gleichwohl nicht zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids, da der Mangel geheilt werden kann (E. 1.3.2).
Die Verurteilung basiert letztlich auf dem Aussageverhalten des Beschuldigten, nicht auf direkten Beweisen oder Indizien:
Der Beschwerdeführer macht geltend, sein Schweigen werde ihm unzulässigerweise zur Last gelegt. Dabei verkennt er, dass nicht sein Schweigen zu seinen Lasten gewürdigt wird, sondern ihm vielmehr sein gesamtes Aussageverhalten zum Nachteil gereicht. Dass dabei sein Schweigen im Rahmen der Beweiswürdigung mitberücksichtigt wird, ist zulässig (vgl. Urteil 6B_515/2014 vom 26. August 2014 E. 5.1 mit Hinweisen) [E. 2.4.2].
Wer Aussagen macht, darf sich nicht wundern. Beweisrechtlich gelten im SVG-Bereich halt einfach spezielle Regeln. Um Schuld oder Unschuld geht es nicht. Es geht darum, begangene Delikte zu ahnden, auch wenn nicht so klar ist, wer denn der Täter war. Und weil das Bundesgericht diesbezüglich ja auf Willkürkognition beschränkt ist, müssen es auch die kantonalen Instanzen nicht so genau nehmen.
Die im Zuge der Via Sicura eingeführte Halterverantwortlichkeit nach OBG ist im Hinblick auf nemo tenetur ohnehin rechtsstaatlich unhaltbar!
“Eine allfällige Gehörsverletzung kann im Verfahren vor Bundesgericht geheilt werden, wenn ausschliesslich Rechtsfragen streitig sind, die das Bundesgericht mit freier Kognition beurteilt, und dem Beschwerdeführer durch die Heilung kein Nachteil erwächst.” (E1.3.2, mit 4 Referenzen).
Das ist nicht ganz ausreichend. Von den vier vom Gericht angeführten Referenzen ist die erste und vierte nicht pertinent, die zweite und dritte von vor 2007. Altrechtlich mag das – unter zusätzlichen, vom Gericht hier bundesrechtswidrig nicht geprüften Bedingungen, darunter, dass es “die Ausnahme bleiben” soll, der Beschwerdeführer sich vor der Rechtsmittelinstanz hätte dazu äussern können müssen und die zu heilende Rechtsverletzung “nicht besonders schwer wiegen” darf, siehe die 3. Referenz – noch möglich gewesen sein.
Seit dem Inkrafttreten des BGG verhindert eine Heilung jedoch Art 80 Abs 1, der für eine Beschwerde einen letztinstanzlichen kantonalen Entscheid verlangt. Fehlt dieser, fehlt auch das Anfechtungsobjekt und damit eine Eintretensvoraussetzung für das BGer, was einem Entscheid in der Sache (hier der vorgebrachten Heilung des Rechtsfehlers der Vorinstanz durch Beurteilung des Eventualantrags des Beschwerdeführers mittels E.4) im Weg steht.
Prozessthema war soweit allein das (schweigende und mithin begründungslose) Nichteintreten der Vorinstanz, das Gericht hätte also richtigerweise den Eventualantrag an die Vorinstanz zur Beurteilung zurückweisen müssen.