Wer sagt mir, ob ein internationaler Haftbefehl gegen mich vorliegt?

In einem zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheid (BGE 1A.210/2005 vom 29.03.2006) hat sich das Bundesgericht mit einem unbefriediegend beantworteten Auskunftsersuchen auseinanderzusetzen. Die Beschwerdeführerin wollte beim Bundesamt für Justiz in Erfahrung bringen, ob die Behörden des Staates Y. sie zur Fahndung ausgeschrieben haben und sie somit bei einer Reise ins Ausland die Verhaftung und Auslieferung an den Staat Y. riskiert. Das Bundesgericht trat auf die Beschwerde nicht ein, weil die Verfügung des Bundesamts für Justoz mangels Zuständigkeit nichtig war. Aus dem Entscheid:

Eine Strafuntersuchung gegen die Beschwerdeführerin wegen Mitgliedschaft in einer Vereinigung führte der Staat Y. Gemäss Art. 13 Abs. 2 Satz 1 Interpol-Verordnung richtet sich daher die Auskunftserteilung nach dem Recht des Staates Y. Nach Art. 13 Abs. 2 Satz 2 Interpol-Verordnung leitet das Bundesamt für Polizei das Gesuch zum Entscheid an die zuständige Behörde weiter. Damit kann nur die zuständige Behörde des Staates Y. gemeint sein, da es nicht Sache einer schweizerischen Behörde sein kann, über die Auskunftserteilung nach dem Recht des Staates Y. zu befinden. […] Das Bundesamt für Justiz ist nach Art. 13 Interpol-Verordnung nie zum Entscheid über ein Auskunftsgesuch zuständig. Vom Bundesamt für Justiz ist in dieser Bestimmung – wie im gesamten dritten Abschnitt der Interpol-Verordnung, der die Rechte betroffener Personen regelt (Art. 13 ff.) – überhaupt keine Rede (E.2.2).

Und nun wie weiter? Das Bundesgericht zeigt folgende Möglichkeiten:

Nach dem Gesagten wird das Bundesamt für Justiz das Auskunftsgesuch der Beschwerdeführerin dem Bundesamt für Polizei zu übergeben haben. Dieses hätte es nach Art. 13 Abs. 2 Satz 2 Interpol-Verordnung an die zuständige Behörde des Staates Y. weiterzuleiten. Unter den gegebenen Umständen drängt sich allerdings seitens des Bundesamtes für Polizei eine Rückfrage bei der Beschwerdeführerin auf, ob diese mit der Weiterleitung an die Behörde des Staates Y. einverstanden sei. Wie gesagt, wurde der Beschwerdeführerin in der Schweiz Asyl gewährt. Ihre politische Verfolgung wurde damit anerkannt. Es ist somit denkbar, dass die Beschwerdeführerin einen Kontakt mit Behörden des Staates Y. ablehnt (E. 3.1)

Oder aber:

Der Beschwerdeführerin steht es sodann frei, bei der Kontrollkommission für Interpol-Dateien Zugang zu von Interpol bearbeiteten personenbezogenen Daten zu verlangen (E. 3.2).

Dieses Verfahren ist im Anhang 3 der Interpol-Verordnung geregelt (vgl. insb. Art. 9).