Wesensgleiche Tatvarianten der Veruntreuung

Wer ein anvertrautes Auto verkauft und den Erlös nicht abliefert, veruntreut den Erlös. Das ist grob zusammengefasst das Ergebnis eines Urteils des Bundesgerichts, das eine Beschwerde teilweise gutheisst, obwohl es die Rügen des Beschwerdeführers verwirft. Aber das Bundesgericht wendet ja manchmal das Recht von Amts wegen an (BGer 6B_209/2022 vom 18.08.2023):

Wenn der Beschwerdeführer einen Freispruch vom Vorwurf der Veruntreuung im Sinne von Art. 138 Ziff. 1 Abs. 1 StGB begehrt, hindert dies das Bundesgericht mithin unter dem Gesichtspunkt von Art. 107 Abs. 1 BGG nicht, eine allfällige Verletzung des Tatbestandes im Lichte der wesensgleichen Tatvariante von Abs. 2 derselben Bestimmung zu prüfen (vgl. wiederum BGE 132 IV 20 und dort E. 3.4 im Zusammenhang mit einer falschen Anschuldigung im Sinne von Art. 303 Ziff. 1 Abs. 1 bzw. Abs. 2 StGB) [E. 1.5.5.2].

War denn die “wesensgleiche Tatvariante” dem Sachverhalt nach auch angeklagt?

Zur Frage der Veruntreuung des Erlöses beruft sich das Bundesgericht auf einen Entscheid im Band 92:

Das Fahrzeug stand unbestrittenermassen im Eigentum des Beschwerdegegners 2 und war damit für den Beschwerdeführer fremd. Sowohl das Fahrzeug als auch der aus dem Verkauf erzielte Erlös war dem Beschwerdeführer anvertraut (BGE 92 IV 174 E. 1). Der Verkauf des Fahrzeugs erfolgte abredegemäss in Kommission, weshalb sich der Beschwerdeführer durch den Verkauf keiner Veruntreuung schuldig gemacht hat (E 1.5.5.3).