Wichtiger Entscheid zur Durchsuchung von Smartphones
Im Zusammenhang mit der Durchsuchung von sichergestellten Mobiltelefonen und Tablets heisst das Bundesgericht eine Beschwerde gut und gesteht dem Inhaber zu, dass er die auszusondernden Informationen hinreichend spezifiziert hat (BGer 1B_602_2020 vom 23.02.2021). Wichtig ist der Entscheid (Dreierbesetzung) weil die kantonalen ZMG fast immer anders entscheiden und die Mitwirkungsobliegenheiten überstrapazieren.
Der Beschwerdeführer stützte sich auf Anwaltskorrespondenz, persönliche Korrespondenz mit Ärzten sowie intime Fotos, welche ihn und unbeteiligte Dritte zeigten. Er nannte zudem die entsprechenden Apps.
Mit diesen Ausführungen legt der Beschwerdeführer ausreichend dar, auf welchen seiner Geräte bzw. in welchen “Apps” sich angeblich intime und nicht untersuchungsrelevante Fotos sowie persönliche Chatverläufe befinden. Entgegen der Auffassung der Vorinstanz kann dem Beschwerdeführer insofern nicht vorgeworfen werden, er habe bloss pauschal geltend gemacht, auf den Mobiltelefonen befänden sich Informationen, die seine Privat- und Intimsphäre berührten. Es ist denn auch tatsächlich nicht ersichtlich, wie der Beschwerdeführer die Dateien ohne Akteneinsicht noch genauer hätte bezeichnen können. Bei drei Datenträgern kann sodann auch nicht von einer grossen Datenmenge gesprochen werden. Dies gilt umso mehr, sollte die leicht zu überprüfende Behauptung des Beschwerdeführers zutreffen, wonach sich auf den beiden sichergestellten Mobiltelefonen sowie auf dem Tablet infolge Synchronisation der Datenträger überall dieselben Daten befänden. Wenn die Vorinstanz vorliegend von “komplexen Datenträgern” mit einer Vielzahl von Informationen spricht, kann ihr daher nicht gefolgt werden. Schliesslich ist auch nicht ersichtlich und weder von der Staatsanwaltschaft noch von der Vorinstanz dargetan, inwiefern die intimen Fotos und die Chatverläufe des Beschwerdeführers mit seiner Freundin bzw. Familie für die vorliegende Strafuntersuchung wegen angeblicher qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz untersuchungsrelevant sein sollen (vgl. BGE 137 IV 189 E. 5.2 S. 197 f., Urteil 1B_423/2019 vom 5. März 2020 E. 1.3). Sein Interesse an der Wahrung seiner verfassungsrechtlich geschützten Privatsphäre (Art. 13 Abs. 1 BV) überwiegt mithin das Strafverfolgungsinteresse. Da der Beschwerdeführer seiner prozessualen Substanziierungsobliegenheit (Art. 248 Abs. 1 StPO i.V.m. Art. 42 Abs. 1-2 BGG) genügend nachgekommen ist, hat die Vorinstanz die Aussonderung der offensichtlich irrelevanten Daten nachzuholen (E. 4.2, Hervorhebungen durch mich).
Konkret zur Substantiierungspflicht des Berufsgeheimnisses:
Soweit der Beschwerdeführer weiter geltend macht, er sei auch betreffend die Anwaltskorrespondenz seiner Mitwirkungs- und Begründungspflicht nachgekommen, ist ihm ebenfalls zuzustimmen. Er hat hinreichend konkret aufgezeigt, dass sich die der absoluten Geheimhaltung unterliegende Korrespondenz mit seinen beiden Rechtsanwälten auf den drei sichergestellten Datenträgern in den fünf Apps “Fotos”, “Whatsapp”, “Threema”, “Telefonie” und “E-Mail” befindet (vgl. Art. 264 Abs. 1 lit. a und c i.V.m. Abs. 3 StPO; BGE 145 IV 77 E. 5.5.3 S. 86 mit Hinweis). Die beiden Rechtsvertreter sind namentlich bekannt, weshalb ohne Weiteres möglich ist, mittels Suchfunktion nach den entsprechenden Namen zu suchen. Die Aussonderung der Korrespondenz mit den Rechtsvertretern kann somit ohne grossen Aufwand bzw. aufwändige Nachforschung vorgenommen werden. Im Übrigen ist es der Vorinstanz unbenommen, hierfür Spezialisten beizuziehen, sollte dies ihrer Ansicht nach dennoch notwendig sein (vgl. Art. 248 Abs. 4 StPO, BGE 142 IV 372 E. 3.1 S. 374 mit Hinweisen) [E. 4.3, Hervorhebungen durch mich].
Nicht gefolgt ist das Bundesgericht bei der Frage nach der Untersuchungsrelevanz, welche das Bundesgericht m.E. zu breit beurteilt:
Da die Strafverfolgungsbehörden den Inhalt der zu untersuchenden Informationsträger naturgemäss noch nicht kennen, wird ein hinreichender Deliktskonnex bereits dann bejaht, wenn objektiv Anlass zur Annahme besteht, dass die versiegelten Objekte für den Zweck des Strafverfahrens erheblich sind, mithin ein adäquater Zusammenhang zwischen den verfolgten Straftaten und den zu untersuchenden Aufzeichnungen besteht (“utilité potentielle”; Urteil 1B_487/2020 vom 2. November 2020 E. 3.2; mit Hinweisen). Erforderlich ist namentlich auch ein zeitlicher Konnex zwischen der mutmasslichen Straftat und den zu durchsuchenden Dokumenten oder Datenträgern (in BGE 145 IV 273 nicht publizierte E. 2.4) [E. 5.2].
Zur gerügten Verletzung von Art. 35 BV schweigt das Bundesgericht vornehm.
“Nicht gefolgt ist das Bundesgericht bei der Frage nach der Untersuchungsrelevanz, welche das Bundesgericht m.E. zu breit beurteilt:”
Ja, da bin ich ganz bei Ihnen! Ich finde sowieso, die Strafverfolgungsbehörden müssten die beweisrelevanten Dateien, welche sich auf dem für Sie unbekannten Datrenträger befinden, im Voraus genau bezeichnen können, ansonsten die Entsiegelung abzulehnen und der sichergestellte Datenträger an den Betroffenen herauszugeben ist.
Und ich würde mir einen grossen Stempel anfertigen lassen mit der Aufschrift “://: mangels Beweises des Tatbestandes eingestellt” aaach, das wären glückliche Zeiten 😉
“Zur gerügten Verletzung von Art. 35 BV schweigt das Bundesgericht vornehm.”
Dann hoffe ich der Betroffene bringt es am Ende des Verfahrens ordentlich noch einmal vor, bzw. bei weiterem Schweigen des Bundesgerichts breitet er es dem EGMR einmal in Jahren zur Widerbearbeitung beim Bundesgericht aus.
Ich kann nur jedem Empfehlen das Smartphone und sämtliche Datenträger ordentlich zu verschlüsseln und Kopien der Datenträger irgendwo “sicher” zu verstauen. Die technische “Siegelung” ist immer die effektivste Massnahme.
Was meinen Sie mit ordentlicher Verschlüsselung und “technischer Siegelung”? Bzw. ist bekannt, wie weit die technischen Möglichkeiten der Strafverfolgungsbehörden in der Schweiz heute reichen?
Insbesondere interessiert die Frage, inwieweit die Strafverfolgungsbehörden in der Lage sind, die handelsüblichen Smartphones (IPhone, etc.) ohne Mitwirkung des Beschuldigten zu durchsuchen, soweit diese nur “gewöhnlich” mittels Zahlencode oder Passwort geschützt sind?
Oder passwortgeschützte Laptops?
Ich gehe davon aus, dass diese simplen Schutzmechanismen für die Strafverfolgungsbehörden heute kein Hindernis mehr darstellen, korrekt?
Zu Iphones kann ich sagen das dies davon Abhängig ist ob Softwareupdates regelmässig gemsvht werden.
Aktuelle Modelle sind aktuell sicher. Das Fedpol verwedet Cellebright mit Brute Force Angriffen. Apple hat diese Sicherheitslücke vor ca 3 Jahren geschlossen, da am Lighning Port keine Daten mehr gezogen werden können 30 Min. Nach der letzten Entsperrung nur noch Laden.
Es dürfte aber noch eine Frage der Zeit sein, bis gerade die Sicherheitslücke über den Chip, welcher unlängst Publiziert wurde von Cellebrigthe und anderen ausgenutzt wird um sich über einen anderen Weg einen Zugang zu verschaffen.
Aber seit ca 3 Jahren können Iphones nicht entsperrt werden ohne Mitwirkung (Sofern aktuellste Software)
Wie sieht dies eigenlich bei solch sich in die Länge ziehenden Verfahren im Hinblick auf die Verdichtung des Verdachtes hin? Wird das Zwangsmassnahmegericht nun ggf mit genau der gleichen schwachen Verdachtsbasis die Entsiegelung auch 18 Monate später nochmals Gutheissen können ? Oder ist im
Hinblick auf Zwangsmassnahmen immer ein sich verdichtender Verdacht gefordert oder gilt das nur bei Untersuchungshaft ? Steht hier nun im konkreten Fall die Bindungswirkung des Rückweisungsentscheides einer neubeurteilung des Verdachts im Weg oder ergibt sich ein Neuprüfung zwingend da der Verdacht Notwendige Grundlage einer Entsiegelung bildet ?
@John: Dass sich der Verdacht verdichten muss, gilt theoretisch für alle Zwangsmassnahmen. Insofern muss er rollend immer wieder neu beurteilt werden. Das ist aber (allenfalls ausserhalb der Untersuchungshaft) grauste Theorie, denn man kann eigentlich nie mit Aussicht auf Erfolg belegen, dass sich der Tatverdacht nicht verdichtet, sondern verflüchtigt habe. Kann man das nicht belegen, dann bleiben die Zwangsmassnahmen erhalten. Wir haben keine wirksame Rechtskontrolle in diesem Bereich.
Aber an den Verdacht sind ja alleine schon aus dem Zeitenlauf doch gemäss BGE Rechtsprechung stetig höhere Anforderungen zu stellen?
Mit anderen Worten muss ja gar nicht belegen das sich der Verdacht verflüchtigt hat, es müsste ja schon reichen wenn er sich nicht verdichtet denn was doch anfänglich noch ausreichend ist einen Amfangsverdacht/hinreichenden/dringenden Tatverdacht zu begründen ist ja nach 2 Jahren nicht mehr daselbe wie zum Zeitpunkt des Entsiegelungsgesuches ?
Dies muss ja umso mehr gelten als die Staatsanwaltschaft nur 20 Tage hat ein Entsiegelungsgesuch zu stellen, aber wenn Fälle vor dem BGE kehren und sich die Anklage & Instanzen über Jahre schon mit dem Sachverhalt beschäftigen bleibt die Anforderung an den Verdacht (bzw die Begründung dann im 2. Entsieglungsversuch des Zwangsmassnahmegerichtes) der gleiche ?
Oder ist einfach noch nie jemand ein zweites mal vor BGE gezogen und hat dies dann gerügt ? Wenn dies sowieso laufend geprüft werden muss wird dieser Rechtsfrage die Bindungswirkung ja nie Entgegenstehen….?!?