Wider die übermässige Pönalisierung des Wirtschaftsverkehrs
Das Bundesgericht kassiert die Verurteilung eines Mannes, der über “eBay” und “ricardo” Mobiltelefnoe und Spielkonsolen gegen Vorkasse zum Kauf angeboten hatte, die er gar nicht besass (BGer 6B_663/2011 vin 02.02.2012). Es analysiert die zivilrechtlichen Verhältnisse und kommt zum Schluss, dass ein Schaden im Sinne von Art. 146 StGB nicht leichthin angenommen werden darf.
Entgegen der Auffassung der Vorinstanz begründet demgegenüber nicht jede verzögerte Vertragserfüllung einen Vermögensschaden im Sinne von Art. 146 StGB, auch nicht wenn sie von vornherein feststand oder in Kauf genommen wurde und der Täter dennoch eine Vorauszahlung verlangt hat (STRATENWERTH/JENNY/BOMMER, Schweizerisches Strafrecht, Besonderer Teil I, 7. Aufl. 2010, N. 57 S. 406). Die Folgen von Leistungsstörungen bei Kaufverträgen sind im schweizerischen Recht in Art. 102 ff. und Art. 190 f. OR geregelt. Gemäss Art. 107 Abs. 2 OR kann der Käufer nach erfolgter Fristansetzung auf Erfüllung nebst Schadenersatz wegen Verspätung klagen, oder statt dessen, wenn er es unverzüglich erklärt, auf die nachträgliche Leistung verzichten und entweder Ersatz des aus der Nichterfüllung entstandenen Schadens verlangen oder vom Vertrag zurücktreten (vgl. dazu BGE 123 III 16 E. 4 mit Hinweisen; Urteil 1P.802/2005 vom 9. März 2006 E. 7). Die Ansetzung einer Frist zur nachträglichen Erfüllung ist gemäss Art. 108 OR nicht erforderlich, wenn aus dem Verhalten des Schuldners hervorgeht, dass sie sich als unnütz erweisen würde (Ziff. 1), wenn infolge Verzugs des Schuldners die Leistung für den Gläubiger nutzlos geworden ist (Ziff. 2) oder wenn sich aus dem Vertrag die Absicht der Parteien ergibt, dass die Leistung genau zu einer bestimmten oder bis zu einer bestimmten Zeit erfolgen soll (Ziff. 3). Tritt der Käufer vom Vertrag zurück, kann er das Geleistete zurückfordern (vgl. Art. 109 Abs. 1 OR). Geht dem Verkäufer der Erfüllungswille nicht grundsätzlich ab und kommt er seinen Pflichten im Falle eines Verzugs nach, fehlt es in der Regel sowohl an einem Vermögensschaden des Käufers als auch an einer Bereicherung des Verkäufers. Eine generelle strafrechtliche Erfassung von (eventualvorsätzlich in Kauf genommenen) Leistungsstörungen bei der Vertragsabwicklung wäre nicht sachgerecht, da solche oftmals nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden können und damit eine übermässige Pönalisierung des Wirtschaftsverkehrs einherginge (E. 2.4.1).
Dem ist ohne Weiteres zuzustimmen. Der Verurteilte wurde aber offenbar nicht zu Unrecht verurteilt, sondern “nur” mit der falschen Begründung. Die Vorinstanz hätte die Frage der Täuschung über den Verkaufswillen und die Verfügbarkeit der Waren nicht offen lassen dürfen:
Dem Beschwerdeführer wird in der Anklage vorgeworfen, er habe die Käufer sowohl über seinen Verkaufswillen als auch über seine Lieferfähigkeit getäuscht, und er habe die Zahlungen der Käufer für seinen Lebensunterhalt und denjenigen seiner Familie verwendet. Dieses Verhalten fällt grundsätzlich unter den Tatbestand des Betrugs. Voraussetzung ist jedoch, dass dem Beschwerdeführer nachgewiesen werden kann, dass er die Käufer arglistig über seinen Leistungswillen oder die Verfügbarkeit der Ware täuschte, dass diese einen Vermögensschaden erlitten (Nichtlieferung bzw. Nichtrückerstattung des Kaufpreises) und dass er dies zumindest in Kauf nahm. Die Vorinstanz durfte die Fragen, ob der Beschwerdeführer die Käufer über seinen Verkaufswillen oder die Verfügbarkeit der Ware täuschte, nicht offenlassen und ihn mit der Begründung verurteilen, die Täuschung und der Vermögensschaden lägen in der verspäteten Vertragserfüllung (E. 2.5.2).