Wiederholungsgefahr bei Vermögensdelikten
Das Bundesgericht erinnert daran, dass insbesondere bei reinen Vermögensdelikten hohe Anforderungen an den Haftgrund der Wiederholungsgefahr zu stellen sind und entlässt einen geständigen mutmasslichen Betrüger direkt aus der Untersuchungshaft (BGer 1B_595/2019 vom 10.01.2020, Fünferbesetzung).
Es weist darauf hin, dass drei Elemente notwendig sind, um den Haftgrund zu begründen:
- Erstens muss grundsätzlich das Vortatenerfordernis erfüllt sein.
- Zweitens muss durch drohende schwere Vergehen oder Verbrechen die Sicherheit anderer erheblich gefährdet sein. Obschon dabei namentlich Delikte gegen die körperliche Integrität im Vordergrund stehen, kann sich die erhebliche Gefährdung der Sicherheit anderer grundsätzlich auf Rechtsgüter jeder Art beziehen.
- Drittens muss die Tatwiederholung ernsthaft zu befürchten sein, was anhand einer Legal- bzw. Rückfallprognose zu beurteilen ist. Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr ist restriktiv zu handhaben (zum Ganzen: BGE 143 IV 9 E. 2.5 f. S. 14 f. mit Hinweisen). [E. 2.3].
Leider gibt es auch Rechtsprechung, die es mit diesen drei konstitutiven Elementen nicht so strikt nimmt, aber im vorliegenden Fall war das eigentlich sekundär, denn es ging nur um gefährdete Vermögensinteressen.
Vorliegend werden dem Beschwerdeführer indessen keine Gewalt-, sondern einzig Vermögensdelikte vorgeworfen. Solche sind zwar unter Umständen in hohem Mass sozialschädlich, betreffen aber grundsätzlich nicht unmittelbar die Sicherheit der Geschädigten. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechungen fallen Delikte gegen das Vermögen unter dem Blickwinkel der erheblichen Sicherheitsrelevanz daher nur in Betracht, wenn sie besonders schwer sind und die Betroffenen besonders hart bzw. ähnlich treffen wie ein Gewaltdelikt (BGE 143 IV 9 E. 2.7 S. 15; Urteile 1B_470/2019 vom 16. Oktober 2019 E. 2.1; 1B_32/2017 vom 4. Mai 2017 E. 3.3.5; je mit Hinweisen; anders noch Urteil 1B_159/2013 vom 6. Mai 2013 E. 3.2). In aller Regel reicht daher ein einfacher, wenn auch mehrfach begangener Diebstahl nicht aus, um Wiederholungsgefahr anzunehmen; anders kann es sich verhalten, wenn eine Qualifikation nach Ziff. 2 bzw. Ziff. 3 von Art. 139 StGB vorliegt (vgl. FRANÇOIS CHAIX, in: Commentaire romand, CPP, 2. Aufl. 2019, N. 23 zu Art. 221 StPO mit Hinweisen). Gemäss ständiger Praxis bedroht sodann selbst ein gewerbsmässiger Betrug grundsätzlich nicht unmittelbar die Sicherheit Dritter, sondern bloss deren Vermögen, weshalb die Haft wegen Wiederholungsgefahr höchstens in objektiv besonders schweren Fällen ausnahmsweise gerechtfertigt sein könnte (vgl. Urteil 1B_247/2016 vom 27. Juli 2016 E. 2.2.2; a.A. GFELLER/BIGLER/BONIN, Untersuchungshaft, N. 479, die der Auffassung sind, beim Betrug handle es sich um keine sicherheitsrelevante Tat) [E. 4.1].
Beide Vorinstanzen sahen das noch anders, was dazu führte, dass der Betroffene über drei Monate ohne Haftgrund in Untersuchungshaft gehalten wurde.
Schon interessant, denn gewerbsmässiger Betrug oder beispielsweise Veruntreuung sind vom Gesetzgeber ebenfalls als Verbrechen und nicht bloss als (schwere) Vergehen qualifiziert worden und doch reicht dies nicht aus, um einen mehrfach straffällig gewordenen und nebenbei auch noch geständigen Betrüger, der immer wieder in gewerbsmässiger Manier die Geschädigten betrogen hatte, einfach laufen.
Das Bundesgericht spielt sich dabei wieder mal selbst als Gesetzgeber auf.