Widersetzliches Obergericht Aargau?
Das Obergericht des Kantons Aargau scheint resigniert zu haben. Es setzt offenbar nicht einmal mehr das um, was ihm das Bundesgericht ganz konkret aufträgt. In zwei zusammenhängenden Fällen (BGer 6B_1219/2015 und BGer 6B_1233/2015 vom 26.05.2016) muss das Obergericht nun zum dritten Mal seine Strafzumessung überprüfen (vgl. dazu bereits meinen früheren Beitrag in derselben Angelegenheit).Das Bundesgericht fasst seine Beanstandungen im erstzitierten Fall wie folgt zusammen:
Insgesamt gewichtet die Vorinstanz verschiedene zumessungsrelevante Komponenten unzutreffend und verletzt ihre Strafzumessung in mehrfacher Hinsicht Bundesrecht. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuweisen. Wie bereits im Rückweisungsentscheid ausgeführt, wird die Vorinstanz in ihrer neuen Entscheidung miteinzubeziehen haben, ob die subjektiven Voraussetzungen eines Strafaufschubs im Sinne einer günstigen bzw. nicht ungünstigen Prognose grundsätzlich erfüllt sind. Ebenfalls zu berücksichtigen haben wird sie zudem die mittlerweile seit der Tat verstrichene Zeit. Soweit die ins Auge gefasste Sanktion im Grenzbereich zum teilbedingten Vollzug (36 Monate) liegt, wird sie zudem prüfen müssen, ob eine Strafe, welche diese Grenze nicht überschreitet, noch als vertretbar erscheint (Rückweisungsentscheid E. 2.4, 7. Absatz) [E. 4.2.3].
Es gibt nur eine Erklärung: Das Obergericht will nicht wie das Bundesgericht.
Es sollte die Zeit beginnen wo eine Haftung der Behörden und zwar nicht der Behörde selbst sondern deren Privaten Mitgliedern zu mindest teilweise auferlegt werden kann. Dann würden sich die Richter und Ankläger auch bemühen ordentliche Strafbefehle und Urteile zu fällen (bzw. zu offerieren). Denn wer mit seinem eigenen Geld haftet wird sicherlich umsichtiger sein als dieser welcher einfach schalten und walten kann, ich glaube man könnte recht erheblich Kosten einsparen auf diese Weise
Interessant und teilweise neu sind in diesem Entscheid die folgenden Erwägungen zur Strafzumessung:
„Eine besonders einlässliche Begründung, weshalb die Vorinstanz eine den Antrag der Staatsanwaltschaft übersteigende Strafe für angemessen hält, ist nicht ersichtlich.“
„Die in den einzelnen Tatbeständen meist sehr weiten Strafrahmen drücken eine abstrakte Bewertung ihres mehr oder weniger grossen Unrechtsgehalts aus, wobei zwischen Mindest- und Höchststrafe alle Schweregrade der zu beurteilenden Straftaten abgedeckt werden. Sie sind lediglich eine erste Richtlinie für die Festsetzung der Strafe und legen die Eckwerte fest, innerhalb derer sich das Gericht auf der Grundlage der Schuld unter Berücksichtigung der spezial- und generalpräventiven Bedürfnisse die Strafe zu bestimmen hat, wobei es von statistischen Regelfall ausgehen wird, der nur einen verhältnismässig geringen Schweregrad erreicht.“
(das mit dem statistischen Regelfall, der nur einen geringen Schweregrad erreicht, ist – soweit ersichtlich – neu)
„Die Erwägungen des Bundesgerichts, wonach aus dem Handeln in Mittäterschaft für sich allein keine erhöhte Vorwerfbarkeit resultiere, (…).“
Die Flut an veröffentlichten Bundesgerichtsurteilen macht es nicht einfacher, den Überblick zu behalten, was denn nun gelten soll. So liest man in einem anderen, aktuellen Bundesgerichtsentscheid:
Nicht zu hören ist der Beschwerdeführer, wenn er geltend macht, die Vorinstanz weiche bei der Strafzumessung sowohl vom erstinstanzlichen Urteil als auch von den Anträgen der Staatsanwaltschaft ab. Die Berufungsinstanz fällt ein neues Urteil (Art. 408 StPO) und hat die Strafe nach ihrem eigenen Ermessen festzusetzen. Unter dem Vorbehalt der «reformatio in peius» muss sich die Berufungsinstanz nicht daran orientieren, wie die erste Instanz die einzelnen Strafzumessungsfaktoren gewichtet. Die Berufungsinstanz darf über die Anträge der Staatsanwaltschaft hinausgehen, zumal es an die Anträge der Parteien nicht gebunden ist (Art. 391 Abs. 1 lit. a StPO).
Was denn nun: Nicht zu hören oder einlässlich begründen?
Da stimme ich schon zu. Noch schwieriger wird es, wenn die Richter und Gerichtsschreiber den Überblick verlieren und sich selbst widersprechen, was ja auch schon vorgekommen ist (aber immerhin Ausnahme ist). In diesem Fall glaube ich aber nicht, dass ein Widerspruch vorliegt. Zudem hatte das Bundesgericht ja schon einmal zurückgewiesen.