Wie man die gesetzliche Parteiöffentlichkeit umgeht …

… erklärt das Bundesgericht in einem neuen, zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenen Urteil (BGE 6B_280/2014 vom 01.09.2014). Die Parteiöffentlichkeit und damit die Teilnahmerechte der Parteien an Untersuchungshandlungen können nun umgangen werden, indem für alle Parteien – jedenfalls für alle beschuldigten Personen – je ein getrenntes Verfahren eröffnet wird, in dem die jeweils anderen dann keine Parteistellung mehr beanspruchen können. Dass dies dem Grundsatz der Verfahrenseinheit (Art. 29 StPO) widersprechen dürfte, erwähnt das Bundesgericht (zum Glück!) nicht. Unerwähnt bleibt auch die kantonale Rechtsprechung, die solche Taschenspielertricks der Strafverfolger nicht zuliess (RBOG 2013 Nr. 25).

Das Bundesgericht hat offenbar schon auch gesehen, dass sein Entscheid wohl nicht ganz sachgerecht ist. Anders kann ich mir jedenfalls nicht erklären, dass es wieder einmal auf den Gesetzgeber verweist, dessen Lösung “hinzunehmen” sei:

In getrennt geführten Verfahren kommt den Beschuldigten im jeweils andern Verfahren keine Parteistellung zu. Ein gesetzlicher Anspruch auf Teilnahme an den Beweiserhebungen im eigenständigen Untersuchungs- und Hauptverfahren der andern beschuldigten Person besteht folglich nicht (Art. 147 Abs. 1 StPO e contrario). Die Einschränkung der Teilnahmerechte von Beschuldigten in getrennten Verfahren im Vergleich zu Mitbeschuldigten im gleichen Verfahren ist vom Gesetzgeber implizit vorgesehen und hinzunehmen (E. 1.2.3).

Man hätte ja auch unter Hinweis auf Art. 29 StPO zum Schluss kommen können, dass der Gesetzgeber die Umgehung der Parteirechte implizit nicht vorgesehen hat. Den grandiosen Schlusspunkt setzt das Bundesgericht übrigens mit der Abweisung der unentgeltlichen Rechtspflege wegen offensichtlicher Aussichtslosigkeit der Beschwerde.

Für die Verteidigung hat das Urteil nur eine geringe Bedeutung. Man muss sich aber jedenfalls immer für die Vereinigung konnexer Verfahren bzw. gegen Verfahrensabtrennungen wehren. Nun hat man wenigstens gute Gründe für entsprechende Beschwerden.