Autofenster geöffnet oder bloss nicht geschlossen?
Das Bundesgericht hatte sich in einem zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehenen Entscheid (6S.561/2006 vom 17.05.2007) mit einem offenen Autofenster zu befassen. Anlass gab ein Automobilist, der sich anlässlich einer polizeilichen Strassenverkehrskontrolle geweigert hatte, das Fenster zu schliessen. Dies führte zu einer Bestrafung wegen Hinderung einer Amtshandlung (Art. 286 StGB). Um das auch nur ansatzweise verstehen können, sind zwei zusätzliche Informationen notwendig:
- Die Kontrolle fand im Kanton Aargau statt.
- Der Automobilist war bereits “vorbestraft”, weil er das fragliche Seitenfenster mit einer Folie abgedunkelt hatte, was man offenbar nicht darf.
Das Bundesgericht umschiffte zunächst die Frage, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen ein Unterlassen tatbestandsmässig sein kann, indem es auf ein aktives Tun schloss:
Entscheidend ist vielmehr, dass der Beschwerdeführer bewusst im Hinblick auf die bevorstehende Kontrolle tätig geworden ist, um die Beweisaufnahme zu verhindern, und sich mit der Aufrechterhaltung des dadurch geschaffenen Zustandes begnügen konnte. Liegt ein solch gezieltes Tätigwerden vor, ist nach den allgemeinen Grundsätzen über die Abgrenzung von Handlung und Unterlassung (…) von einem aktiven Tun auszugehen (im gleichen Sinn Robert Schnetzer, Die Abgrenzung der Hinderung einer Amtshandlung gemäss Art. 286 StGB vom blossen Ungehorsam, Diss. Basel 1979, S. 88 ff.). Dem Beschwerdeführer ist somit nicht ein passives Verhalten vorzuwerfen, sondern ein Aktivwerden, nämlich das vorgängige Senken der Fensterscheiben, und nur daran knüpft der strafrechtliche Vorwurf an, der nachfolgend zu prüfen ist (E. 4.3).
In der Folge setzte sich das Bundesgericht mit der Abgrenzung zur straflosen Selbstbegünstigung auseinander und fasst seine Erwägungen wie folgt zusammen:
Zusammenfassend ergibt sich, dass die Abgrenzung zwischen strafbarer Hinderung einer Amtshandlung und strafloser Selbstbegünstigung mit Rücksicht auf die Schutzrichtung von Art. 286 StGB danach vorzunehmen ist, ob der Täter in eine hinreichend konkretisierte Amtshandlung eingreift oder aber einer solchen nur zuvorkommt (E. 6.2.3).
Für den vorliegenden Fall bedeutete dies:
Zum Verhalten des Beschwerdeführers hält die Vorinstanz in tatsächlicher Hinsicht fest, er habe beabsichtigt, die Polizeikontrolle zu verhindern, um einer weiteren Verzeigung wegen abgedunkelter Fensterscheiben zu entgehen. Einzig zu diesem Zwecke habe er die Scheiben gesenkt, als er die Polizeipatrouille wahrgenommen habe. Wann genau und unter welchen Umständen er dazu tätig geworden ist, lässt sich dem angefochtenen Urteil nicht entnehmen. Die Vorinstanz trifft insbesondere keinerlei Feststellungen dazu, ob sein Handeln zeitlich vor die polizeiliche Aufforderung zum Anhalten fiel oder erst danach erfolgte. Diesem Zeitpunkt kommt indes rechtserhebliche Bedeutung zu. Die Verurteilung gemäss Art. 286 StGB setzt nach dem Gesagten voraus, dass der Beschwerdeführer in eine konkret in Gang befindliche und gegen ihn gerichtete Amtshandlung eingegriffen hat, was hier nur angenommen werden kann, wenn ihm bereits befohlen war, das Fahrzeug anzuhalten. Daher ist entscheidend, ob er die Fensterscheiben vor oder nach dem Anhaltebefehl gesenkt hat (E. 6.3).
Und dies soll nun die Vorinstanz (seriös) abklären können? Ich fürchte, der Fall wird mindestens noch einmal in Lausanne landen.