Wie viele geheime Strafverfahren?

Wer von einem Beschuldigten trotz Einstellung des Verfahrens Kosten erheben will, kommt nicht umhin, ihm die Einstellungsverfügung zu eröffnen und ihn damit überhaupt erst über die Eröffnung des Verfahrens in Kenntnis zu setzen. Dass dies bundesrechtswidrig ist, hat kürzlich das Bundesstrafgericht entschieden (BStGer BV.2018.25 vom 26.11.2018). Bei der Strafverfolgungsbehörde handelte es sich um die ESTV, die es nun wirklich besser wissen müsste.

Aus dem Entscheid:


Aus den vorliegenden Akten und der Einstellungsverfügung ist ersichtlich, dass die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer über das laufende Verfahren erst mit Zustellung der Einstellungsverfügung vom 7. August 2018 orientierte. Weshalb die Beschwerdegegnerin den Beschwerdeführer über das seit dem 26. November 2013 gegen ihn geführte Verwaltungsstrafverfahren nicht vorgängig in Kenntnis setzte, ist nicht nachvollziehbar. Dies umso weniger, als Art. 104 Abs. 4 MWSTG ausdrücklich eine unverzügliche schriftliche Mitteilung betreffend die Eröffnung einer Strafuntersuchung vorschreibt (E. 3.3).

Bemerkenswert sind auch die Ausführungen zur Kostenauferlegung, welche die Kosten als Verdachtsstrafe erscheinen liessen:


Vielmehr begründete die Beschwerdegegnerin die Auferlegung eines Teils der Kosten im Wesentlichen damit, dass in den Jahren 2007 bis 2009 Widerhandlungen festgestellt worden seien, die den Tatbestand von Art. 98 lit. e MWSTG erfüllen würden (bspw. nicht verbuchte Honorareinnahmen, Ausstellung fiktiver Rechnungen, Buchungen über Geschäfte mit fehlenden Zahlungsflüssen). Diese Widerhandlungen hätten dazu beigetragen, dass die Strafuntersuchung eingeleitet worden sei (E. 4.1).

Da stellt sich unweigerlich die Frage, wie viele Strafverfahren die unzähligen Ämter, die in der Schweiz nebenbei auch noch als Strafverfolger tätig sind, führen, ohne dass die Betroffenen oder auch die Justiz jemals davon erfahren.