Wiederholungsgefahr ohne Grenzen

Ein vor fast 10 Monaten verhafteter mutmasslicher “Gewalttäter” bleibt weiterhin in Untersuchungshaft. Das Bundesgericht weist seine Beschwerde ab, obwohl die Gutachter die Frage noch nicht beantwortet haben, ob geeignete Ersatzmassnahmen in Frage kommen. Solche drängen sich deshalb auf, weil der Beschwerdeführer offenbar nur unter Alkoholeinfluss zum Risiko wird:

Zwar attestiert das Gutachten dem Beschwerdeführer, in nüchternem Zustand nicht zu Gewalthandlungen zu neigen und zudem sei nicht ersichtlich, dass er solche gutheisse oder befürworte. Das Gutachten hält aber auch klar fest, beim Beschwerdeführer sei “in unbehandeltem Zustand von einer gegebenenfalls auch kurzfristigen Rückfallgefahr” auszugehen, die als moderat bis deutlich eingestuft wird. Die Vorinstanz schliesst daraus, dass ohne bereits angelaufene Behandlung, d.h. ohne erfolgversprechende Etablierung einer Massnahme, beim Beschwerdeführer die Gefahr eines Rückfalls in ein unkontrolliertes Trinkverhalten und damit das Risiko der Begehung neuer und schwerer Straftaten nicht gebannt sei. In der Tat ist nicht ersichtlich, dass ohne entsprechende Einleitung geeigneter Massnahmen, die ohne Weiteres eine gewisse Zeit beanspruchen könnte, das Rückfallrisiko in massgeblicher Weise ausgeschlossen werden kann. (E. 3.2).

Abgesehen von der Frage, wer nun nach zehn Monaten die Verantwortung dafür trägt, dass der Beschwerdeführer nicht behandelt wird, verlangt Gesetzestext doch, dass schwere Delikte “ernsthaft zu befürchten” sind. Dem Bundesgericht scheint es zu reichen, dass die Gefahr noch nicht gebannt bzw. “in massgeblicher Weise ausgeschlossen” ist. Mit dieser Begründung kann Untersuchungshaft bei vorliegen der übrigen Voraussetzungen ja aber wohl immer bejaht werden. Ich kenne jedenfalls keinen Gutachter, der Wiederholungsgefahr “in massgeblicher Weise” ausschliessen würde und ausschliessen könnte.

Nach den weiteren Ausführungen scheint die Beweislast übrigens beim Verhafteten zu sein:

Das Gutachten äusserte sich bisher gerade nicht zur Frage, ob sich die Wiederholungsgefahr bei einer sofortigen Haftentlassung durch geeignete medizinische Massnahmen in entscheidendem Masse beschränken liesse. Diese Frage wurde dem Gutachterteam nunmehr auf Antrag des Beschwerdeführers ergänzend unterbreitet. Die gutachterliche Antwort liegt noch nicht vor. Mit dem Obergericht ist daher auf der Grundlage der vorliegenden Akten davon auszugehen, dass mit den vorgeschlagenen Massnahmen, welche die beantragte Haftentlassung begleiten sollen, insbesondere mit der Anordnung einer ärztlichen Behandlung und Kontrolle unter Abgabe von Antabus, der festgestellten Rückfallgefahr nicht mit genügender Sicherheit begegnet werden kann (E. 3.2).