Wieso nicht gleich verwahrt?

Der Kanton Aargau ist wie kein zweiter darum bemüht, verurteilten Straftätern nach vollständig verbüsster Strafe noch eine stationäre Massnahme nach Art. 59 StGB aufzuerlegen; dies in allen möglichen und unmöglichen Fällen (s. dazu etwa BGE 141 IV 203). Dem bereits bestehenden Vollzugsnotstand begegnet er durch den Bau eines neuen Gefängnistrakts in Lenzburg, der im nächsten Frühling bezugsbereit sein soll, aber mit Sicherheit schon wieder zu wenig Kapazität aufweist.In einem aktuellen Fall betraf die erwähnte Praxis einen Mann, der vor 14 Jahren eine Prostituierte getötet hatte und während knapp 12 Jahren vollzugsbegleitend eine ambulante Therapie absolviert hat. Diese vor der Entlassung aus dem Vollzug aufgehoben und dem Gericht wurde beantragt, eine stationäre Massnahme anzuordnen, was dieses dann auch getan hat.

Das Bundesgericht heisst dieses Vorgehen – man mag es nicht glauben – gut (BGer 6B_994/2016 vom 07.11.2016). Die Begründung erweist sich aber als wenig realitätsnah. Ich habe jedenfalls noch nie auch nur im Ansatz einen Fall gesehen, in dem die stationäre Massnahme dazu genutzt wurde, ein tragfähiges Betreuungs- und Kontrollnetz aufzubauen. Im vorliegenden Fall war das nach 12 Jahren Therapie offenbar nicht möglich. Wie es bei stationärer Therapie erfolgreich sein soll, ist mir ein Rätsel.

Aus der Begründung des Bundesgerichts:

Der Zweck der im Gutachten skizzierten stationären Behandlung besteht vorab im Aufbau eines tragfähigen Betreuungs- und Kontrollnetzes, mit welchem die Defizite des Beschwerdeführers weitgehend zu kompensieren wären. Die Gutachterin führt zudem aus, der Erfolg der therapeutischen Massnahme liesse sich im Laufe der nächsten 1-5 Jahre daran festmachen, dass es dem Beschwerdeführer gelingt, Risikokonstellationen frühzeitig zu erkennen und er sie aktiv und selbstständig oder mit der Hilfe der ihm angebotenen Unterstützungsmassnahmen zu bewältigen vermag. Aus Sicht der Gutachterin kann demnach nur eine langfristige stationäre Behandlung die Rückfallgefahr verhindern. Die Vorinstanz geht zusammenfassend ohne Rechtsverletzung vom Vorliegen einer Ausnahmesituation aus, welche eine Umwandlung einer ambulanten Therapie in eine stationäre Massnahme bei Fehlen einer Reststrafe rechtfertigt. Die nachträgliche Anordnung einer stationären Massnahme im Sinne von Art. 63b Abs. 5 StGB i.V.m. Art. 59 StGB verletzt kein Bundesrecht (E. 1.4.3).

Keiner einlässlichen Prüfung wurde die Beendigung der ambulanten Massnahme. Diese war offenbar bereits rechtskräftig verfügt und wurde nicht angefochten. Im Ergebnis steht jedenfalls fest, dass es man nach 14 Jahren Freiheitsentzug und 12 Jahren erfolgloser ambulanter Therapie verhältnismässig sein kann, noch eine kleine Verwahrung anzuordnen. Konsequenter wäre eine “grosse Verwahrung” gewesen.