Willkürlicher Freispruch?

Dass ein Freispruch vom Bundesgericht wegen willkürlicher Sachverhaltsfeststellung aufgehoben werden kann, ist eigentlich bereits aufgrund der prozessualen Logik ausgeschlossen. Das liegt daran, dass die Vorinstanz nach den Grundsätzen der Unschuldsvermutung und der freien Beweiswürdigung entscheiden muss, das Bundesgericht hingegen nicht Tatrichter ist und nur bei willkürlicher Beweiswürdigung korrigieren darf. Angesichts des hohen Beweismasses, das für eine strafprozessuale Verurteilung erforderlich ist, kann ein Freispruch eigentlich nur dann als willkürlich qualifiziert werden, wenn die Vorinstanz eine Rechtsnorm falsch angewendet hat. Das Bundesgericht sieht das allerdings weniger streng und kassiert einen Freispruch, weil die Vorinstanz in willkürlicher Weise an der Zuverlässigkeit einer Zeugenaussage zweifelte (BGer 6B_644/2013 vom 25.08.2014).

Der Zeuge hatte – an sich nicht bestrittene – sexuelle Handlungen beobachtet und geltend gemacht, er sei sich sicher, dass die Handlungen mit einem Kind, nämlich mit der Stieftochter des Beschuldigten erfolgten. Die Verteidigung vertrat den Standpunkt, es habe sich nicht um das Kind, sondern um dessen Mutter gehandelt, was beide bestätigt hatten. Es standen somit die Aussagen des Beschuldigten, seiner Stieftochter und dessen Mutter gegen die Aussagen des Zeugen, der das Geschehen als Nachbar beobachtet hatte. Das Bundesgericht begründet die Willkür wie folgt:

Die vorinstanzliche Sachverhaltsfeststellung erweist sich aufgrund der aktenmässigen Beweislage als willkürlich. Die Aussagen des Nachbarn zum Geschehensablauf wurden vom Beschwerdegegner mit Ausnahme der Beteiligung seiner Stieftochter vollumfänglich bestätigt. Anhaltspunkte oder Indizien, dass der Nachbar die Stieftochter mit deren Mutter verwechselt haben könnte, bestehen nicht. Unstreitig ist, dass das Mädchen und ihre Mutter sich äusserlich (in Statur, Haarfarbe und Frisur) zum Zeitpunkt der sexuellen Handlung nicht ähnelten. Anlässlich des Augenscheins konnte der Nachbar problemlos die beiden erwachsenen, bei der Nachstellung des Geschehens mitwirkenden Polizistinnen unterscheiden. Die allenfalls verbleibenden theoretischen Zweifel der Vorinstanz sind auch in Beachtung des Grundsatzes in dubio pro reo ungeeignet, davon auszugehen, der Beschwerdegegner habe sich nicht von seiner Stieftochter, sondern seiner Partnerin oral befriedigen lassen (E. 1.9, Hervorhebungen durch mich).

Keine Anhaltspunkte oder Indizien für eine Verwechselung waren demnach auch die entlastenden Aussagen des Beschuldigten, der Mutter und des angeblichen Opfers. Die Verfahrensdauer vor Bundesgericht war übrigens überdurchschnittlich lange, obwohl doch ein klarer Fall vorlag (Dreierbesetzung).