Wirres Verwaltungsstrafverfahren

Ob eine Einsprachefrist gegen einen Strafbescheid nach Art.62 ff.  VStrR eingehalten ist oder nicht, kann in der Praxis zu unglaublichen Irrungen führen. Im vorliegenden Fall führte das Nichteintreten auf eine Einsprache tatsächlich zur Sistierung des Verfahrens vor dem Einzelrichter der Strafkammer des Bundesstrafgerichts.

Wie es dazu kommen konnte, zeigt folgende Prozessgeschichte, die dem Urteil BStGer SK.2013.10  vom 08.04.2013 zu entnehmen ist:

  • EFD erlässt einen Strafbescheid gegen X. wegen Widerhandlung gegen Art. 41 Abs. 1 lit. a BEHG.
  • X. erhebt Einsprache.
  • EFD tritt nicht darauf ein, weil die Einsprache verspätet sei (Nichteintretensverfügung).
  • X. verlangt beim EFD gerichtliche Beurteilung durch das Bundesstrafgericht und dort die Aufhebung der Nichteintretensverfügung mit Rückweisung an das EFD zwecks Behandlung der Einsprache. Damit hält sich X. an die (falsche) Rechtsmittelbelehrung der Nichteintretensverfügung.
  • EFD überweist die Verfahrensakten der Bundesanwaltschaft zuhanden des Bundesstrafgerichts (Art. 50 Abs. 2 FINMAG)
  • Bundesanwaltschaft überweist an das Bundestrafgericht (Art. 50 Abs. 2 FINMAG).
  • Präsident der Strafkammer des Bundesstrafgerichts weist die Sache dem Einzelrichter zu.
  • Einzelrichter behandelt die Überweisung als Anklage und nimmt analog Art. 329 StPO eine Anklageprüfung vor (die ja nur zum Ergebnis führen kann, dass die Anklage ungenügend bzw. die Prozessvorausserzungen nicht erfüllt sind).
  • Einzelrichter stellt sich die Frage, ob die gerichtliche Beurteilung auch bei einer Nichteintretensverfügung bezüglich einer Einsprache gegen den Strafbescheid gemäss Art. 67 Abs. 1 VStrR verlangt werden kann, und nicht nur bei einer Strafverfügung gemäss Art. 72 Abs. 1 VStrR, also erst nach Durchführung des Einspracheverfahrens und verneint sie.
  • Einzelrichter kommt zum Schluss, dass X. anstelle des Begehrens um gerichtliche Beurteilung nach Art. 72 VStrR eine Beschwerde beim Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung hätte führen müssen. Hätte er die Beschwerde abgewiesen, hätte X. sich an die Beschwerdekammer des Bundesstrafgerichts zu wenden.
  • Einzelrichter sisitiert das Verfahren, da nicht auszuschliessen sei, dass es erneut an die Strafkammer gelangen könnte (Art. 329 Abs. 2 StPO)
  • Einzelrichter hält fest, dass X. nach Treu und Glauben durch die falsche Rechtsmittelbelehrung kein Nachteil erwachsen dürfe (vgl. dazu E. 4.1).
  • Und dann das Fazit:

Entsprechend sind in sinngemässer Anwendung von Art. 28 Abs. 4 VStrR die beim Bundesstrafgericht eingegangenen Akten von Amtes wegen an die zuständige Behörde – mithin an den Direktor oder Chef der beteiligten Verwaltung – zur Behandlung als Beschwerde im Sinne von Art. 27 Abs. 1 VStrR zu überweisen (E. 4.2).

Was bleibt ist wohl nur der Entscheid, dass der Betroffene jedenfalls bei Nichteintreten auf die Einsprache gegen den Strafbescheid nicht direkt die sachrichterliche Beurteilung verlangen kann.