Zeugenedition?
Zwangsmassnahmen können auch dazu verwendet werden, die Strafuntersuchung gleichsam an Privatpersonen zu delegieren. So mutet ein an eine nicht beschuldigte Ärztin gerichteter Herausgabebefehl an, dessen Inhalt das Bundesgericht in BGer 1B_136/2012 vom 25.09.2012 (Fünferbesetzung) wie folgt umschreibt:
Mit Herausgabebefehl vom 8. Dezember 2011 wies die Staatsanwaltschaft die therapeutische Leiterin der forensisch-psychiatrischen Station C2, Dr. med. X. , an, innerhalb von zehn Arbeitstagen sämtliche Notizen, E-Mails, Schreiben, Sitzungsprotokolle oder anderen Dokumente zu edieren, welche belegten, dass allfällige bauliche, personelle und organisatorische Missstände auf der Station C2 gemeldet und weitergeleitet worden und an wen diese Meldungen erfolgt waren. Weiter habe die von der Herausgabeverfügung Betroffene allfällige Zeugen zu benennen, welche gehört haben könnten oder selbst an Sitzungen teilgenommen hätten, als solche Missstände gemeldet und weitergeleitet worden waren, und an wen diese Meldungen erfolgt waren. Gleichzeitig verbot die Staatsanwaltschaft der Betroffenen unter Androhung der Straffolgen von Art. 292 StGB, den Beschuldigten oder Drittpersonen über die Herausgabeverfügung und die damit zusammenhängenden Umstände zu informieren.
Die Ärztin gelangt ohne anwaltlichen Beistand an das Bundesgericht und obsiegt. Wieso das Bundesgericht eintritt, sagt es allerdings nicht. Es behauptet einfach, die Sachurteilsvoraussetzungen seien „grundsätzlich erfüllt“ (E. 1).
Das Bundesgericht erläutert den Rechtsschutz gegen Herausgabeverfügungen (Art. 265 StPO).
Gemäss der Systematik des Gesetzes (7. Kapitel: „Beschlagnahme“) und dem Sinn und Zweck der Vorschrift erstreckt sich der Siegelungsvorbehalt von Art. 264 Abs. 3 StPO auch auf Editionsverfügungen nach Art. 265 StPO. Falls die von einem Herausgabebefehl betroffene Person sich auf ein Aussage- bzw. Zeugnisverweigerungsrecht beruft oder auf andere rechtlich geschützte Geheimhaltungsinteressen, ist ebenfalls nach den Regeln über die Siegelung (Art. 248 StPO) vorzugehen. In diesen Fällen ist deshalb die StPO-Beschwerde gegen Editionsverfügungen grundsätzlich nicht gegeben (Urteile des Bundesgerichtes 1B_562/2011 vom 2. Februar 2012 E. 1.1; 1B_386/2010 vom 9. Februar 2011 E. 1.3-1.4; 1B_354/2010 vom 8. Februar 2011 E. 1.2-1.3; vgl. …). Damit das Siegelungsverfahren nach Art. 248 StPO faktisch durchgeführt werden kann, hat die Staatsanwaltschaft bei streitigen Editionsbefehlen nötigenfalls gestützt auf Art. 265 Abs. 4 i.V.m. Art. 263 Abs. 3 und Art. 244 ff. StPO vorzugehen: Falls die vom Editionsbefehl betroffene Person, welche sich auf schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen beruft, sich auch einer Herausgabe zu Siegelungszwecken (bzw. zur richterlichen Prüfung eines Entsiegelungsgesuches) widersetzen sollte, kann die Staatsanwaltschaft die fraglichen Gegenstände (gestützt auf einen entsprechenden Hausdurchsuchungsbefehl) vorläufig sicherstellen und sofort siegeln. Andernfalls sind die Gegenstände unmittelbar nach ihrer (freiwillig erfolgten) Edition zu siegeln. Anschliessend kann das Entsiegelungsverfahren beim Zwangsmassnahmengericht eingeleitet werden (Art. 248 Abs. 2-4 StPO). Die Staatsanwaltschaft hat ihr allfälliges Entsiegelungsgesuch innert 20 Tagen nach der Siegelung beim Zwangsmassnahmengericht einzureichen (Art. 248 Abs. 2 StPO) [3.2, Hervorhebungen durch mich].
Den Rest des Entscheids verstehe ich schlicht nicht. Es fängt damit an, dass das Bundesgericht ausführt, die Laienbeschwerde sei im streitigen Editionspunkt als Siegelungsgesuch zu behandeln. Dem kann ich zwar noch folgen. Dann wäre doch aber der Vorinstanz zu ermöglichen, dies zu tun. Ich zitiere daher nur die Anweisungen, welche das Bundesgericht der Staatsanwaltschaft gibt:
Zur Gewährleistung des Rechtsschutzes hat die Staatsanwaltschaft hier wie folgt das gesetzliche Siegelungsverfahren einzuleiten: Falls die Beschwerdeführerin sich einer freiwilligen Herausgabe zu Siegelungszwecken widersetzen sollte, kann die Staatsanwaltschaft die fraglichen Gegenstände (gestützt auf einen entsprechenden Hausdurchsuchungsbefehl) vorläufig sicherstellen und sofort siegeln. Andernfalls sind die Unterlagen unmittelbar nach der freiwillig erfolgten Edition zu siegeln. Sofern die Staatsanwaltschaft die Entsiegelung verlangt, sind die versiegelten Unterlagen (zusammen mit dem Entsiegelungsgesuch und den Akten des Editionsverfahrens) innert 20 Tagen an das kantonale Zwangsmassnahmengericht zu überweisen zur Durchführung des Entsiegelungsverfahrens.
Ziffer 1 Abs. 2 (Verpflichtung zur Benennung von Zeugen) des Herausgabebefehls der Staatsanwaltschaft ist aufzuheben (E. 5).
Letzteres hatte bereits das Obergericht entschieden, jedenfalls nach den Feststellungen des Bundesgerichts:
Was die Verpflichtung zur Benennung von Zeugen betrifft, hob das Obergericht die Verfügung auf (B.).