Zu den Grenzen des Beschwerderechts der Staatsanwaltschaft in Haftsachen
Das Bundesgericht zieht eine (weitere) Grenze beim Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft in Haftsachen. In einem neuen, zur Publikation vorgesehenen Urteil stellt es klar, dass der Staatsanwaltschaft gegen eine Haftentlassung durch ein kantonales Berufungsgericht in der Regel kein Rechtsbehelf mehr zur Verfügung steht (BGE 1B_70/2013 vom 22.10.2013):
Die Rechtsprechung zum Beschwerderecht der Staatsanwaltschaft nach der Strafprozessordnung ist damit auf das Verfahren der Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht nicht anwendbar, weil dieses auf einer anderen gesetzlichen Grundlage – dem Bundesgerichtsgesetz – beruht. Sie lässt sich auch nicht ohne Weiteres darauf übertragen, weil die beiden Verfahrensordnungen im Blick auf die unterschiedlichen Aufgaben der Gerichte verschieden ausgestaltet sind (E. 2.3.1).
Das Bundesgericht spricht dann aber immerhin noch die vorsorgliche Massnahme nach Art. 104 BGG an. Es führt aus, dass dem Beschuldigten die Entlassung für die Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens in der Regel nicht offen steht (BGer 1P.289/2004 vom 04.06.2004 E. 1), was auch umgekehrt gelten müsse:
Umgekehrt ist auch die Staatsanwaltschaft, die gegen die Haftentlassung eines Untersuchungs- oder Sicherheitsgefangenen Beschwerde führt, grundsätzlich nicht in der Lage, über eine vorsorgliche Massnahme die sofortige Wiederinhaftierung des Entlassenen für die Dauer des bundesgerichtlichen Verfahrens zu erwirken. Ein solche Anordnung könnte jedenfalls nur ausnahmsweise in besonders gelagerten Fällen in Betracht fallen, wenn dies zum Schutz von unmittelbar bedrohten, hochwertigen Interessen – etwa der öffentlichen Sicherheit bei gefährlichen Gewalttätern – unabdingbar ist. Vorliegend braucht auf die Voraussetzungen zur Annahme derartiger ausserordentlicher Fälle nicht näher eingegangen zu werden (E. 2.3.3).
Damit war die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen die durch die Verfahrensleitung des Berufungsgerichts angeordnete umgehende Haftentlassung abzuweisen.
Nachdem das Bundesgericht auf die Legitimation der Staatsanwaltschaft nicht mehr zurückkommen konnte oder wollte, musste es in eigenem Interesse verhindern, dass es den den Kantonen faktisch aufgezwungene Pikettdienst am Wochenende auch einrichten muss: Art. 104 BGG durfte ganz einfach nicht zur Anwendung kommen – obwohl die Argumente die das Bundesgericht im Zusammenhang mit der StPO anführte, auch für den weiteren Rechtsmittelweg Geltung beanspruchen könnten.
Den im Detail kaum definierbaren Ausnahmefall (Die Vorinstanz verneint die Wiederholungsgefahr, bleibt er dann dennoch ein gefährlicher Gewalttäter und erfüllt er die Voraussetzungen um auf ein Gesuch nach Art. 104 BGG einzutreten?) musste es wohl aus politischen Gründen zulassen. Was aber, wenn der Vorsitzende der Beschwerdeinstanz am Freitagnachmittag oder am Samstag, eine superprovisorische Inhaftnahme verweigert – was ja nach den Anforderungen des Bundesgerichtes ohne Weiteres vorkommen kann und schon vorgekommen ist?