Zu den Kosten im Nachverfahren (Art. 363 ff. StPO)

Soweit ersichtlich auferlegt die kantonale Justiz die Kosten in vollzugsrechtlichen Nachverfahren (Art. 363 ff. StPO) standardmässig der verurteilten Person. Das Bundesgericht erklärt eine solche Praxis nun für bundesrechtswidrig, jedenfalls dann, wenn die Anträge der Vollzugsbehörden abgewiesen werden (BGer 6B_428/2012 vom 19.11.2012, Fünferbesetzung). Obwohl es sich m.E. um einen für die Praxis äusserst wichtigen Grundsatzentscheid handelt, ist er leider nicht zur Publikation in der amtlichen Sammlung vorgesehen.

Zu beurteilen war die von der Vollzugsbehörde beantragte Umwandlung einer vollzugsbegleitenden ambulanten Massnahme in eine stationäre. Die Vorinstanz holte ein Gutachten ein und wies den Umwandlungsantrag ab. Die Kosten von über CHF 30,000.00 auferlegte die Vorinstanz praxisgemäss dem (obsiegenden) Häftling. Das Bundesgericht kassiert den Entscheid:

In E. 3.1 hält das Bundesgericht die rechtlichen Rahmenbedingungen fest. Es stellt insbesondere klar, dass Art. 416 StPO auch für die selbständigen Nachverfahren gilt.

Gemäss Art. 416 StPO sind die Bestimmungen über die Verfahrenskosten für alle nach Massgabe der StPO geführten Strafverfahren anwendbar, mithin auch für Verfahren bei selbstständigen nachträglichen Entscheiden des Gerichts nach Art. 363 ff. StPO.

In E. 3.3 ruft das Bundesgericht in Erinnerung, dass Kosten nur demjenigen auferlegt werden können, der sie verursacht hat:

Die Vorinstanz begründet ihren Kostenentscheid einerseits damit, dass der Beschwerdeführer mit der Tatbegehung Anlass für das nachträgliche Verfahren gegeben habe. Diese Auffassung hält vor Bundesrecht nicht stand. Die Auferlegung der Kosten erfordert einen adäquaten Kausalzusammenhang zwischen der Straftat und den entstandenen Kosten. Ein solcher ist hier nicht ersichtlich. Es mag zutreffen, dass das Tötungsdelikt, dessen der Beschwerdeführer schuldig gesprochen worden ist, als natürliche Ursache für das nachträgliche Verfahren angesehen werden kann. Es lässt sich indes nicht sagen, dass das ursprüngliche Delikt nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und den Erfahrungen des Lebens Ursache für das nachträgliche Verfahren war.

Die Kosten gründeten gemäss E. 3.3 vielmehr auf einer Fehleinschätzung der Vollzugsbehörde. Abgesehen davon wäre eine Kostenauflage nur in analoger Anwendung von Art. 426 StPO möglich, also bei rechtswidriger und schuldhafter Einleitung des Verfahrens, was hier aber nicht der Fall war:

Die Vorinstanz leitete das nachträgliche Verfahren auf Antrag des Justizvollzugs ein. Aus ihrer Mitteilung an den Beschwerdeführer vom 30. Mai 2011 (Akten des Obergerichts act. 2125) geht hervor, dass die Initiative für die Einholung eines neuen psychiatrischen Gutachtens von ihr ausging. Zwar stellte der Beschwerdeführer in seiner Eingabe vom 10. Juni 2011 (Akten des Obergerichts act. 2129) selbst den Antrag, es sei ein unabhängiges forensisch-psychiatrisches Gutachten einzuholen, doch erfolgte dies allein aufgrund der Einladung der Vorinstanz, sich zur Bestellung des Gutachters sowie zu den vorgesehenen Fragen zu äussern und gegebenenfalls Anträge zu stellen.

Interessant ist schliesslich ein obiter dictum zur Frage der nicht kausal verursachten Kosten im Sinne von Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO:

Bei diesem Ergebnis kann offenbleiben, ob im Lichte von Art. 426 Abs. 3 lit. a StPO, nach welchem die beschuldigte Person diejenigen Verfahrenskosten nicht trägt, welche die Strafbehörden von Bund oder Kantonen durch unnötige oder fehlerhafte Verfahrenshandlungen verursacht haben, auf die Kostenauflage zu verzichten ist. Zwar fand die in den Entwürfen vorgesehene Möglichkeit der Übernahme unverhältnismässiger hoher Kosten auf die Staatskasse, etwa bei Gutachterkosten in einem Bagatellfall, keinen Eingang ins Gesetz. Doch könnten diese Konstellationen als Anwendungsfall nicht kausal verursachter Kosten im Sinne von Art. 426 Abs. 3 lit. a bezeichnet werden (SCHMID, Handbuch, N 1784 Fn. 52; ders., Praxiskommentar, Art. 426 N 10; DOMEISEN, a.a.O., Art. 426 StPO N 15).