Zu einfach für das Obergericht des Kantons Aargau
Das Obergericht des Kantons Aargau hat einem Beschuldigten die amtliche Verteidigung verweigert, u.a. weil es sich um einen einfachen Sachverhalt ohne rechtliche Probleme handle. Das Bundesgericht ist anderer Meinung (BGer 1B_332/2015 vom 24.11.2015) und kassiert das Urteil der Vorinstanz. Es zeigt dem Obergericht im Grunde auf, dass man die Probleme eines Falles halt sehen muss.
Hier die Gründe der Vorinstanz:
Die Vorinstanz ist der Meinung, der strafrechtlich massgebliche Sachverhalt sei aus objektiver Sicht nicht kompliziert. Auch in beweisrechtlicher Hinsicht bestünden keine Schwierigkeiten, da es einzig um die Würdigung der verschiedenen Darstellungen der tatsächlichen Ereignisse durch den Beschwerdeführer und das mutmassliche Opfer gehe. Weitere Einvernahmen seien nicht durchgeführt worden und nicht zu erwarten. Der Aktenumfang sei überschaubar. Rechtlich würden sich ebenfalls keine Schwierigkeiten ergeben, und der Beschwerdeführer habe seinen Standpunkt bisher durchaus selbst und allein vertreten können, weshalb nicht ersichtlich sei, dass er auf eine fachkundige Vertretung angewiesen sei. Besondere sprachliche Einschränkungen bestünden nicht, zumal bei der Befragung des Beschwerdeführers ein Dolmetscher beigezogen worden sei. Nicht belegt seien sodann die behaupteten gesundheitlichen Beeinträchtigungen bzw. die angeblich damit verbundene Beschränkung der Fähigkeit, sich selbst zu verteidigen. Ob ein Bagatellfall vorliege, könne unter diesen Umständen offen bleiben (E. 2.4.1).
Und hier die Gründe des Bundesgerichts:
Die gegenüber dem Beschwerdeführer erhobenen strafrechtlichen Beschuldigungen sind nicht banal. Vorgeworfen werden ihm sexuelle Handlungen mit einem Kind. Die entsprechende Strafdrohung von Art. 187 Ziff. 1 StGB reicht bis zu fünf Jahren Freiheitsentzug. Aufgrund der dem Beschwerdeführer vorgehaltenen Handlungen ist nicht von vornherein davon auszugehen, dass eine möglicherweise auszusprechende Freiheitsstrafe die Dauer von vier Monaten nicht überschreiten wird. Damit handelt es sich in Anwendung von Art. 132 Abs. 3 StPO nicht um einen Bagatellfall. Sodann ist der Beschwerdeführer nicht geständig. Es liegt ein Vier-Augen-Delikt vor, in dem die Aussage des mutmasslichen Täters gegen diejenige des Opfers abzuwägen und zu würdigen ist, was tendenziell heikel erscheint. Dass das Opfer ein Kind und als seine Nichte mit dem Beschwerdeführer nahe verwandt ist, erleichtert die Abklärung und Würdigung der tatsächlichen Umstände nicht. Hinzu kommt, dass die Staatsanwaltschaft zunächst unzulässigerweise eine Einvernahme des Beschuldigten ohne Anwalt durchgeführt hat. Im Zeitpunkt des angefochtenen Entscheids war noch offen, ob diese Einvernahme überhaupt verwertbar war. Dabei handelt es sich nicht um eine einfache Rechtsfrage. Analoges gilt für die prozessuale Frage der amtlichen Verteidigung. Aber auch mit Blick auf die materiellrechtliche Beurteilung erscheint der vorliegende Fall nicht nur einfach, insbesondere hinsichtlich der strafrechtlichen Qualifikation der dem Beschwerdeführer vorgeworfenen Handlungen und der allfälligen Strafzumessung. Überdies attestiert die Vorinstanz dem Beschwerdeführer genügende Sprachkenntnisse; dennoch wurde für seine Befragung ein Dolmetscher beigezogen. Anscheinend besteht auch insofern eine gewisse Unsicherheit. Nicht belegt ist allerdings, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner psychischen Probleme, die offenbar zur Zusprechung einer Rente der Invalidenversicherung sowie von Ergänzungsleistungen geführt haben, in seinen Fähigkeiten, sich selbst zu verteidigen, eingeschränkt sein sollte. Trotzdem stellt die vorliegende Strafuntersuchung bei Würdigung sämtlicher Umstände tatsächliche und rechtliche Anforderungen, denen der Beschuldigte nicht gewachsen wäre, bliebe er auf sich alleine gestellt (E. 2.4.2).
Das Bundesgericht setzt den Anwalt des Beschwerdeführers gleich selbst als amtlichen Verteidiger im kantonalen Verfahren ein.