Zu spontane Rechtshilfe und ihre Folgen
Entsprechend der herrschenden Lehre und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts verlangt auch das Bundesstrafgericht, dass die spontane Übermittlung im Sinne von Art. 67a IRSG in jedem Falle die Eröffnung eines schweizerischen Strafverfahrens voraussetzt (BStGer R.2012.311 vom 11.07.2013). Im zu beurteilenden Fall hat die Staatsanwaltschaft gestützt auf ein Vorabklärungsverfahren Akten übermittelt, was gemäss Bundesstrafgericht unzulässig war. Im Entscheid wird sogar die Frage gestellt (aber nicht beantwortet), ob Vorabklärungsverfahren nach schweizerischem Strafprozessrecht überhaupt zulässig sind. Sie sind es m.E. selbstverständlich nicht.
Spannend wäre natürlich auch die Frage, was denn nun die Rechtsfolge aus der unzulässigen Übermittlung ist:
Die vorliegend durch die Beschwerdegegnerin verursachte Verletzung von Art. 67aIRSG führt – entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin – nicht dazu, dass das Rechtshilfeersuchen als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren wäre. Die deutschen Behörden konnten sich in guten Treuen darauf verlassen, dass die Spontanübermittlung schweizerischem Recht entsprach und konnten darauf gestützt ein Rechtshilfegesuch stellen. Weder macht die Beschwerdeführerin geltend, noch bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die deutschen Behörden die unzulässigerweise übermittelten Informationen bereits als Beweismittel verwendet hätten. Es ist gegenteils aufgrund des zwischen den Vertragsstaaten des EUeR geltenden völkerrechtlichen Vertrauensprinzips davon auszugehen, dass sich die ersuchende Behörde an den im Schreiben der Beschwerdegegnerin vom 11. Januar 2012 enthaltenen Hinweis, die spontan übermittelten Informationen nicht als Beweismittel zu verwenden, bisher gehalten hat (Vorabklärungsakten Urk. 4) (E. 5.3.5).
Ja genau!
Sie stellen die Frage falsch. Die Frage ist nicht, ob diese Vorabklärungsverfahren zulässig sind, sondern *was* diese Verfahren sind.
Sie sind nämlich vermutlich regelmässig eine materielle Verfahrenseröffnung, weil der oder die betreffende Person aufgrund eines gewissen, wenn auch vagen Anfangsverdachts bestimmte Abklärungen für nötig hielt. Für genau diese Abklärungen war dann aber der Anfangsverdacht “hinreichend”, insofern ein Verfahren eröffnet – auch wenn sich die Verfahrensleitung mental dagegen sträubte.
Nur bei vollkommen anlassfreien “Vorabklärungsverfahren” wäre die Frage der Legalität aufzuwerfen. Bei allen andern ist es lediglich ein (formell unerheblicher) Mangel, dass keine Eröffnungsverfügung erlassen wurde.
Mit der ersten eigentlichen Beweiserhebung (die es bei einer MROS-Meldung aber wohl nicht gab), spätestens aber mit der Übermittlung im Rahmen von Art. 67a IRSG war ein Verfahren materiell eröffnet und die betreffenden Unterlagen waren zum Beweismittel erhoben. Genau aus der Überlegung, dass die Unterlagen sonst für diese Massnahme gar nicht zur Verfügung stehen würden.
Das fehlen einer ‘Eröffnungsverfügung’ hat nach unserem Recht überhaupt keine formelle Wirkung, sie hat ja nur dokumentarischen Charakter. Ob (und wann) ein Verfahren tatsächlich eröffnet wurde beurteilt sich im Streitfall nach materiellen Kriterien, in erster Linie anhand der getroffenen Massnahmen und der Frage, ob diese Massnahmen eine (faktische, materielle) Verfahrenseröffnung indizieren. Das ist hier klar der Fall, und die wohl zuständigkeitspolistisch motivierten Beteuerungen des Gegenteils vermögen daran nichts zu ändern (man denke sich den gleichen Fall mit einer Verhaftung). Manchmal wird ein Verfahren eben auch ‘aus Versehen’ eröffnet und der Beschuldigte erhält damit die ihm zustehende Rechte. Auch ohne Verfügung.
Das Pferd ist hier aufgrund unseres Rechtssystems bisweilen von hinten aufzuzäumen: Es gibt bei uns kein angelsächsisches ‘Indictment’ und damit auch keinen entsprechenden Formmangel wenn ein Indictment fehlt. Die fehlende Verfahrenseröffnung zum Zeitpunkt einer die Eröffnung voraussetzende Massnahme führt nicht zur Illegalität der Massnahme, sondern eben zur Verfahrenseröffnung.
Somit ist nicht die Herausgabe der Unterlagen falsch gewesen, sondern die Behauptung, man habe kein Verfahren eröffnet.
Danke für die sehr überzeugenden Ausführungen, daz. Wüsste nicht, was man dem entgegensetzen könnte.