Zu Unrecht verweigertes Akteneinsichtsrecht
Das Obergericht BE hat einer Beschwerdeführerin das Akteneinsichtsrecht mit der Begründung verweigert, die massgeblichen Akten seien ihr bekannt, weshalb es keiner vorgängigen Akteneinsicht bedürfe, um zur Stellungnahme des Beschwerdegegners, die neun Zeilen umfasse, replizieren zu können.
So nachvollziehbar das auch sein mag: das Obergericht hat übersehen, dass es nicht an ihm sein kann, die Relevanz der Akten im Hinblick auf den Verfahrensgegenstand zu beurteilen (BGer 1B_396/2019 vom 17.10.2019):
Teil des rechtlichen Gehörs nach Art. 29 Abs. 2 BV bildet die Akteneinsicht. Das Recht darauf ergibt sich allein aus der Verfahrensbeteiligung und ist insoweit voraussetzungslos. Es ist mit anderen Worten nicht Sache des Gerichts, antizipierend darüber zu befinden, ob einem Rechtssuchenden die Akteneinsicht etwas nützt (BGE 132 V 387 E. 3.2 S. 389; 129 I 249 E. 3 S. 253; Urteil 5A_545/2011 vom 24. Oktober 2011 E. 3.4.2; je mit Hinweisen). Zwar gilt der Anspruch nicht absolut und sieht der von der Vorinstanz erwähnte Art. 101 Abs. 1 StPO vor, dass Parteien (erst) spätestens nach der ersten Einvernahme der beschuldigten Person und der Erhebung der übrigen wichtigsten Beweise durch die Staatsanwaltschaft die Akten des Strafverfahrens einsehen können. Gemäss dem angefochtenen Beschluss betrifft die in dieser Bestimmung vorgesehene temporäre Einschränkung der Akteneinsicht vorliegend jedoch nur die Beilagen zu einer am 15. April 2019 neu gegen die Beschwerdeführerin eingegangenen Strafanzeige. Darüber hinaus erfolgte die Verweigerung der Akteneinsicht somit ohne rechtsgültigen Grund. Die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs erweist sich deshalb als begründet. Da das Bundesgericht in Bezug auf die vom Verfahrensmangel betroffenen Aspekte nicht die gleiche Kognition hat wie das Obergericht, fällt eine Heilung des Verfahrensmangels ausser Betracht (BGE 142 II 218 E. 2.8.1 S. 226 f.; 137 I 195 E. 2.3.2 S. 197 f.; Urteil 1B_277/2019 17. September 2019 E. 2.1.3; je mit Hinweisen) [E. 2.3]
Aha. Und was ist damit: Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist trotz seiner formellen Natur nicht Selbstzweck, und dessen Verletzung kann nur gerügt werden, solange daran ein rechtlich geschütztes Interesse besteht (BGer 6B_1366/2016 E. 1.3).