Zucht im “Justizvollzug”
Die ehemaligen Zuchthäuser heissen heute nach deutschem Vorbild Justizvollzugsanstalten. In diesen Anstalten sollten eigentlich die Sanktionen vollzogen werden, welche die Justiz angeordnet hat.
Vollzogen werden aber auch die Disziplinarstrafen, mit denen die JVA Zucht und Ordnung wie beispielsweise die gesetzliche Zwangsarbeit (Art. 81 Abs. 1 StGB bzw. Art. 90 Abs. 3 StGB)durchsetzen. Wer die Arbeit verweigert, wird diszipliniert, in der Regel arrestiert. Bereits bewilligte Vollzugslockerungen wie Freizeitaktivitäten nach 18.30 Uhr werden wieder entzogen.
Selbstverständlich – wir leben schliesslich in einem Rechtsstaat – können solche Disziplinarmassnahmen angefochten werden. Beschwerden haben aber keine aufschiebende Wirkung und sind im Zeitpunkt des Entscheids jeweils längst vollzogen – zuviel Rechtsstaat würde den Zuchtgedanken unterminieren. Das führt dann bisweilen zu Ergebnissen wie diesem:
Ein Insasse beschwert sich gegen eine Arreststrafe (drei Tage wegen Arbeitsverweigerung verbunden mit einer Rückversetzung in der Progressionsstufe). Der Arrest wird vollzogen. Später stellt die Beschwerdeinstanz fest, dass der Arrest unverhältnismässig war. Statt Arrest verfügt sie nun eine Busse, wiederum verbunden mit einer Rückversetzung in der Progressionsstufe. Der Beschwerdeführer wird somit dank seiner “erfolgreichen” Beschwerde zusätzlich zum widerrechtlich verbüssten Arrest mit einer Busse belegt Aber damit nicht genug. Eine Erwerbsausfallentschädigung für die Tage, die er – ohne krankgeschrieben zu sein – widerrechtlich im Bunker verbracht hat, kriegt er auch nicht. Dass er zufolge Arrests gar nicht arbeiten konnte, spielte keine Rolle.
Zum Glück erachtete der Regierungsrat des Kantons Solothurn diesen Entscheid als publikationswürdig und hat ihn als Grundsatzentscheid veröffentlicht (GER 2017 Nr. 3).
Und wenn wir schon dabei sind: Die Hausordnung der JVA Solothurn sagt zum Vollzug des Arrests in § 62 folgendes:
1 Der Arrest wird in der Arrestzelle vollzogen. Beim Antritt des Arrests wird der Gefangene einer Personenkontrolle unterzogen und muss sich vollständig entkleiden. Kleidung, Hausschuhe und Toilettenartikel werden dem Gefangenen zur Verfügung gestellt. Der Gefangene erhält die Möglichkeit, seine Angehörigen telefonisch oder schriftlich zu informieren.2 Während des Arrests ist der Gefangene von Arbeit, Freizeitbeschäftigung, Veranstaltungen, Einkauf und Aussenkontakten ausgeschlossen. Das Rauchen ist eingeschränkt.3 Ab dem zweiten Arresttag hat der Gefangene für eine Stunde Freigang.4 Während des Arrests hat der Gefangene täglich Anrecht auf:a) Körperpflege und Wechsel der Unterwäsche:b) Aushändigung und Versand von Briefpost;c) eine Stunde Aufenthalt ausserhalb der Arrestzelle.5 Auf Wunsch des Gefangenen sind folgende Kontakte erlaubt: Seelsorge, Behörden und Rechtsvertretung.
Mein Dank geht an den Hinweisgeber, der aus Angst vor Disziplinierung nicht genannt sein will.