Zugabe: Wir sind das Gesetz

Das Kantonsgericht LU hat im Januar 2020 einen Mann aus einer stationären Massnahme für junge Erwachsene (Art. 61 StGB) entlassen. Das Bundesgericht (Strafrechtliche Abteilung) hat diesen Entscheid gestützt (vgl. BGE 6B_95/2020 vom 20.02.2020, Publikation in der AS vorgesehen; vgl. dazu auch meinen früheren Beitrag) und angeordnet, dass der Mann “innert der Frist von fünf Tagen ab Zustellung des bundesgerichtlichen Urteils aus der Massnahme gemäss Art. 61 StGB zu entlassen” sei.

Anstatt den Mann wie höchstrichterlich angeordnet zu entlassen, haben die Behörden des Kantons LU aber ein nachträgliches Verfahren zwecks Anordnung einer Massnahme nach Art. 59 StGB eingeleitet und ihn in Sicherheitshaft versetzt. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Bundesgericht (diesmal die erste ÖFFRA) nun aber nicht etwa gutgeheissen, sondern trotz aktueller Rechtsprechung des EGMR als von Vornherein aussichtslos abgewiesen (BGer 1B_207/2020 vom 26.05.2020).

Ich zitiere hier nur die Erwägung zum Kostenentscheid und frage mich, welche Medien und elektronischen Fachzeitschriften man als Anwalt denn praktisch tagesaktuell kennen muss, um seinen Sorgfaltspflichen zu genügen:

Die Beschwerde wurde am 30. April 2020 eingereicht. Der oben erwähnte (zur BGE-Publikation bestimmte) Leitentscheid des Bundesgerichtes 1B_111/2020 wurde am 31. März 2020 gefällt und am 14. April 2020 auf der Website des Bundesgerichtes aufgeschaltet. Gleichentags veröffentlichte das Bundesgericht eine Medienmitteilung zu diesem wichtigen Urteil. Ab 15. April 2020 berichteten zudem noch verschiedene Medien und elektronische Fachzeitschriften darüber. Angesichts der dargelegten Praxis und des genannten Leitentscheides war die vom anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer am 30. April 2020 erhobene Rüge offensichtlich aussichtslos. Sein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist folglich abzuweisen (Art. 64 Abs. 1 BGG). Auf die Erhebung von Gerichtskosten kann hier jedoch ausnahmsweise verzichtet werden (Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BGG) [Hervorhebungen durch mich].