Zum Anwendungsbereich des selbständigen Einziehungsverfahrens

Bei Einstellung eines Strafverfahrens ist gemäss einem neuen Leitentscheid des Bundesgerichts zwingend über die Einziehung von Gegenständen und Vermögenswerten zu entscheiden (BGE 6B_437/2016 vom 22.09.2016, Publikation in der AS vorgesehen).

Mit dem Wort “kann” in Art. 320 Abs. 2 Satz 2 StPO wird dem Staatsanwalt bzw. dem Richter (Art. 320 ist sinngemäss anwendbar;  Art. 329 Abs. 4 Satz 2 StPO) nicht Ermessen, sondern Kompetenz zugewiesen .

Über die Einziehung ist auch dann zu entscheiden, wenn der einzuziehende Vermögenswert nicht beim Beschuldigten, sondern bei einem Dritten anfiel. Gegen den Dritten muss kein Strafverfahren durchgeführt worden sein:

Allerdings fiel der Gewinn aus den allenfalls tatbestandsmässigen und rechtswidrigen Behandlungen, welche der Beschwerdegegner durchführte, nicht diesem, sondern der Y. AG zu, für welche der Beschwerdegegner tätig war. Weder die kantonalen Instanzen noch die Beschwerdeführerin setzen sich mit diesem Umstand auseinander. Da die Vermögenswerte der Y. AG zuflossen, muss sich das Einziehungsverfahren grundsätzlich gegen die Y. AG als Direktbegünstigte richten (siehe dazu ausführlich SIMONE NADELHOFER DO CANTO, Vermögenseinziehung bei Wirtschafts- und Unternehmensdelikten, Diss. Luzern 2008, S. 164 ff., 182 ff.). Daran ändert nichts, dass der Beschwerdegegner zu 80 % an der Y. AG beteiligt war und dass sein Einkommen aus den Gewinnen der Y. AG herrührte und er somit davon profitierte. Dass eine allfällige Einziehung zulasten der Y. AG anzuordnen wäre, bedeutet jedoch nicht, dass gegen diese ein selbstständiges Einziehungsverfahren gemäss Art. 376 ff. StPO durchzuführen sei. Die Abschöpfung deliktisch erlangter Vermögenswerte beim Unternehmen wird entweder akzessorisch im Strafverfahren gegen den Täter, der für das Unternehmen gehandelt hat, angeordnet oder, wenn ein solches Strafverfahren nicht durchgeführt werden kann, im Rahmen eines selbstständigen Einziehungsverfahrens gegen das Unternehmen (…). Die Voraussetzung gemäss Art. 376 StPO, wonach ausserhalb eines Strafverfahrens über die Einziehung zu entscheiden ist, war vorliegend nicht erfüllt. Denn es konnte gegen die für die juristische Person handelnde natürliche Person, d.h. gegen den Beschwerdegegner, ein Strafverfahren durchgeführt werden (E. 2.3, Hervorhebungen durch mich).