Zum Kostenrisiko im Berufungsverfahren

Das Bundesgericht korrigiert das Obergericht des Kantons ZH, welches einer im Berufungsverfahren unterlegenen Privatklägerin Kosten auferlegte, obwohl ihr die unentgeltliche Rechtspflege bewilligt war (BGer 1066/2022 vom 12.01.2023):

Die Vorinstanz durfte die Beschwerdeführerin angesichts ihres Unterliegens zwar grundsätzlich für kostenpflichtig erklären (Art. 428 Abs. 1 StPO). Da die Beschwerdeführerin bedürftig ist und ihre Zivilklage nicht aussichtslos war (vgl. Art. 136 Abs. 1 StPO), hätte die Vorinstanz die Beschwerdeführerin jedoch von der Kostentragung befreien (Art. 136 Abs. 2 lit. b StPO) und die Bezahlung der Gerichtsgebühr in analoger Anwendung von Art. 135 Abs. 4 lit. a StPO stattdessen davon abhängig machen müssen, dass deren wirtschaftliche Verhältnisse dies später erlauben (vgl. Urteile 6B_990/2017 vom 18. April 2018 E. 4.3; 6B_370/2016 vom 16. März 2017 E. 1.2, nicht publ. in: BGE 143 IV 154). Die Beschwerde ist in diesem Punkt gutzuheissen (E. 3.3).

Der Fall zeigt, dass das Kostenrisiko selbst bei unentgeltlicher Rechtspflege erheblich ist. Die Beschwerdeführerin muss noch eine Instanz weiter, um Recht zu bekommen, wenigstens im Kostenpunkt. Unter dem Strich hat sie wohl dennoch auch finanziell verloren.