Zum Strafmilderungsgrund des Gehorsams und der Abhängigkeit
Das Bundesgericht äussert sich in BGer 6B_497/2011 vom 22.12.2011) zum Strafmilderungsgrund von Art. 48 lit. a Ziff. 4 StGB.
Es legt zunächst dar, was unter Gehorsam und Abhängigkeit im Sinne der zitierten Bestimmung zu verstehen ist:
Das Gericht mildert die Strafe, wenn der Täter auf Veranlassung einer Person gehandelt hat, der er Gehorsam schuldet oder von der er abhängig ist (Art. 48 lit. a Ziff. 4 StGB). Gehorsam kann einer anderen Person nur auf Grund einer Rechtsnorm geschuldet werden. Demgegenüber kann sich die Abhängigkeit auch aus tatsächlichen Beziehungen ergeben. Der mildernde Umstand darf nur angenommen werden, wenn zwischen dem Beweggrund der Tat und dem Stellenwert des verletzten Rechtsgutes ein gewisses Verhältnis besteht (BGE 110 IV 9 E. 2 S. 10 mit Hinweis). Dass der Täter aus einem Abhängigkeitsverhältnis heraus gehandelt hat, reicht nicht aus (Urteil 6S.503/2000 vom 7. September 2000 E. 3a). Die aus der Gehorsamspflicht oder Abhängigkeit folgende Beschränkung der Entscheidungsfreiheit muss ähnlich schwer ins Gewicht fallen wie eine schwere Bedrängnis, eine schwere Drohung oder der Befehl eines Vorgesetzten, wenn sie die Strafmilderung rechtfertigen soll (…). Vorausgesetzt wird eine dem Notstand nahe Situation, die den Täter so schwer belastet, dass sich ihm kein anderer Ausweg als die strafbare Handlung bietet (BGE 110 IV 9 E. 2 S. 10 mit Hinweisen) (E. 2.4)
Im konkreten Fall zu beurteilen war eine Auseinandersetzung im Rahmen einer Familienfehde:
Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz stand das Opfer mit den Mitgliedern der Familie [im online gestellten Urteil steht hier wohl irrtümlich der Name], in erster Linie mit X.B., in einem familiären Konflikt. Als es bei der Familie seiner Ehefrau geläutet hatte, begab sich X.B. nach draussen. Der Beschwerdeführer folgte seinem Vater, um ihn in einer tätlichen Auseinandersetzung mit dem Opfer zu unterstützen. Dass er dabei einen Dolch auf sich trug, wusste X.B. nicht. X.C. hatte erst entsprechende Kenntnis, als der Beschwerdeführer die Wohnung bereits verlassen hatte. Vor dem Zustechen forderte ihn sein Vater auf “schlag drein” und die Mutter rief “bringt diesen Idioten um”. Obgleich der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt unter einem erheblichen Einfluss seiner Eltern stand, wurde er nach den vorinstanzlichen Feststellungen nicht zur Tat gedrängt (…). Insbesondere stellt die Vorinstanz nicht fest, dass der Einfluss seiner Eltern seine Entscheidungsfreiheit erheblich eingeschränkt und in einen intensiven Druck gemündet hätte, das inkriminierte Tötungsdelikt zu verüben. Mithin geht aus dem angefochtenen Entscheid nicht hervor, dass ein massiver Druck sich ähnlich wie eine schwere Bedrängnis oder eine schwere Drohung auf die Willensfreiheit des Beschwerdeführers ausgewirkt hätte. Eine Notstand nahe Situation wäre aber mit Blick auf das versuchte Tötungsdelikt unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit umso mehr vorauszusetzen gewesen, um die Strafe zu mildern. Allein die Aufforderung zur Tat oder das Bestärken im Tatentschluss stellt nicht eine Veranlassung zur Tat im Sinne von Art. 48 lit. a Ziff. 4 StGB dar. Da konkrete Umstände, die auf eine relevante Zwangslage hindeuten würden und die Tat in einem milderen Licht erscheinen liessen, aus dem angefochtenen Entscheid nicht hervorgehen, ist nicht zu beanstanden, dass die Vorinstanz die Strafe unter diesem Titel nicht mildert. Die Strafzumessung erweist sich im angefochtenen Punkt als bundesrechtskonform (E. 2.5).