Zum Verhältnis von Banden- und Gewerbsmässigkeit

In einem neuen Grundsatzentscheid des Bundesgerichts (BGE 6B_1302/2020 vom 03.02.2020, Publikation in der AS vorgesehen) werden Fragen zu den Qualifikationsmerkmalen von Art. 19 Abs. 2 lit. a, b und c BetmG, die im vorliegenden Fall alle erfüllt gewesen sein sollen, behandelt, Das Bundesgericht bestätigt dabei ein Urteil des Obergerichts AG.

Ich bin nicht sicher, ob das Bundesgericht Art. 27 StGB hier zu Recht nicht angewendet. Jedenfalls hätte die Frage eine differenzierte Auseinandersetzung mit den persönlichen Verhältnissen verdient. Stattdessen wird aus der Bandenmässigkeit kurzerhand auf Gewerbsmässigkeit geschlossen.

Der Einwand des Beschwerdeführers, auf ihn entfalle nur ein Fünftel des erzielten Umsatzes, was weniger als den relevanten Schwellenwert von Fr. 100’000.– ergebe, geht fehl. Der grosse Umsatz respektive der erhebliche Gewinn muss nicht zwingend direkt beim Täter anfallen (Gustav Hug-Beeli, a.a.O., N. 1129 zu Art. 19 BetmG; Fingerhuth/Schlegel/Jucker, a.a.O., N. 218 zu Art. 19 BetmG). Daran ändert auch nichts, dass das Qualifikationsmerkmal in der Person des Beschwerdeführers gegeben sein muss. Soweit ersichtlich äussert sich die Lehre zu dieser Frage nicht und hatte sich damit auch das Bundesgericht noch nicht zu befassen. Nach der Rechtsprechung ist Bandenmässigkeit anzunehmen, wenn zwei oder mehr Täter sich mit dem ausdrücklich oder konkludent geäusserten Willen zusammenfinden, inskünftig zur Verübung mehrerer selbständiger im Einzelnen noch unbestimmter Straftaten zusammenzuwirken. Das Qualifikationsmerkmal der Bande setzt gewisse Mindestansätze einer Organisation, etwa Rollen- oder Arbeitsteilung, und eine Intensität des Zusammenwirkens in einem Masse voraus, dass von einem stabilen Team gesprochen werden kann, auch wenn dieses nur kurzlebig ist. In subjektiver Hinsicht muss sich der Täter des Zusammenschlusses und der Zielrichtung der Bande bewusst sein. Sein Vorsatz muss die die Bandenmässigkeit begründenden Tatumstände umfassen. Bandenmässige Tatbegehung ist nur anzunehmen, wenn der Wille der Täter auf die gemeinsame Verübung einer Mehrzahl von Delikten gerichtet ist (BGE 135 IV 158 E. 2 und E. 3.4; 124 IV 86 E. 2b; Urteile 6B_960/2019 vom 4. Februar 2020 E. 5.1; 6B_115/2019 vom 15. Mai 2019 E. 2.2). Diese Begriffsbeschreibung verdeutlicht, dass es sich bei der bandenmässigen Tatbegehung gar um eine gegenüber der Mittäterschaft intensivierte Form gemeinsamen deliktischen Vorgehens handelt, die durch ein gemeinsames, übergeordnetes Bandeninteresse sowie einen gefestigten Bandenwillen gekennzeichnet ist (Peter Albrecht, a.a.O., N. 247 zu Art. 19 BetmG; Gustav Hug-Beeli, a.a.O., N. 1082 zu Art. 19 BetmG). Es besteht mithin kein Anlass, das Bandenmitglied in Bezug auf den erzielten Umsatz als Auswirkung der bandenmässigen Tatbegehung anders zu behandeln als jeden Mittäter, welchem zufolge der Mittäterschaft die gesamte Handlung zugerechnet wird (vgl. BGE 143 IV 361 E. 4.10; 135 IV 152 E. 2.3.1; Urteil 6B_371/2020 vom 10. September 2020 E. 2.3.3 mit Hinweisen). Da die bandenmässige Tatbegehung im Sinne von Art. 19 Abs. 2 lit. b BetmG erstellt ist, ist dem Beschwerdeführer der von der Bande erzielte und den Grenzwert von Fr. 100’000.– bei weitem übersteigende Umsatz vollumfänglich zuzurechnen, womit das Qualifikationsmerkmal der Gewerbsmässigkeit in seiner Person erfüllt ist (E. 2.4.2, Hervorhebungen durch mich).  

Der Umsatz der Bande begründet die Gewerbsmässigkeit des Bandenmitglieds? Kann das wirklich im Sinn von Art. 27 StGB sein?

Zu “in dubio”-Rügen füge ich unten noch zwei Zitate ein. Das erste zeigt, dass Willkür im Kleinen nicht zu Willkür im Ganzen führen muss. Und auch ein Zirkelschluss ist gemäss dem zweiten Zitat auch nicht unbedingt willkürlich:

Würdigt das Gericht einzelne belastende Indizien willkürlich oder lässt es entlastende Umstände willkürlich ausser Acht, führt dies nicht zwingend zur Aufhebung des angefochtenen Urteils durch das Bundesgericht (E. 1.2.4). 

Damit spielt der vom Beschwerdeführer geltend gemachte “Zirkelschluss” in der vorinstanzlichen Beweiswürdigung nur eine nebensächliche Rolle und ist jedenfalls von derart geringer Bedeutung, dass er in der ansonsten überzeugenden Beweiswürdigung der Vorinstanz keine Willkür zu begründen vermag (E. 1.4.5).  

Abschliessend noch ein Zitat zur geltend gemachten Doppelverwertung, die das Bundesgericht auch verwirft:

[Die Vorinstanz] erwägt weiter, die erhebliche kriminelle Energie der Bande zeige sich auch in der erstaunlichen Konsequenz, in der im Rahmen der Korrespondenz Namensnennungen und andere Erkennungsmerkmale vermieden worden seien (…). Damit trägt sie innerhalb der Merkmale des banden- und gewerbsmässigen Handels zu Recht einerseits der Intensität der Tatbegehung und damit dem Grad der kriminellen Energie und andererseits der umgesetzten Drogenmenge Rechnung. Denn das Ausmass des gewerbsmässigen Betäubungsmittelhandels und die Art und Weise der bandenmässigen Tatbegehung ist bei der Strafzumessung auch unter Verschuldensgesichtspunkten zu würdigen. Dies ist ebenso zulässig wie die verschuldenserhöhende Berücksichtigung der Dauer der Handelstätigkeit. Dem Sachgericht ist es nicht verwehrt, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen, in welchem Ausmass ein qualifizierender oder privilegierender Tatumstand gegeben ist. Dies stellt keine unzulässige Doppelverwertung dar (BGE 141 IV 61 E. 6.1.3; 120 IV 330 E. 1c/aa; 120 IV 67 E. 2b; Urteile 6B_237/2018 vom 24. August 2018 E. 1.4.2; 6B_662/2015 vom 12. Januar 2016 E. 2.4.3; 6B_1192/2014 vom 24. April 2015 E. 5.4.2; je mit Hinweis) [E. 3.3].

Solche Entscheide zeigen eindrücklich, wie schwierig es ist, das Bundesgericht zu überzeugen. Die Begründungstiefe wird der Bedeutung des Entscheids (Grundsatzentscheid, 7,5 Jahre Freiheitsstrafe) m.E. nicht gerecht. In anderen Kantonen hätte die Freiheitsstrafe übrigens weniger als die Hälfte betragen.