Zum Widerruf der amtlichen Verteidigung

Das Bundesgericht zieht einmal mehr über einen Entscheid des Obergerichts des Kantons Aargau her, den es wegen willkürlicher Anwendung kantonalen Rechts (EG StPO/AG) und wegen Verletzung der StPO kassiert (BGer 1B_251/2014 vom 04.09.2014). Zu Recht stösst es sich daran, dass der kantonale Gesetzgeber nur geregelt hat, wer die amtliche Verteidigung im Vorverfahren bestellt (Oberstaatsanwaltschaft), nicht aber, wer für den Widerruf zuständig ist. Letzteren hat bisher jeweils der verfahrensleitende Staatsanwalt verfügt, was gleich aus mehreren Gründen nicht sachgerecht sein kann, aber immerhin dem Wortlaut von Art. 134 Abs. 1 StPO entsprechen würde (was man von der aargauischen Lösung für die Bestellung der amtlichen Verteidigung nicht behaupten kann; vgl. Art. 133 StPO). Das Bundesgericht sieht jedenfalls eine Verletzung des Grundsatzes der Parallelität der Formen, die auch bei “Konträrentscheiden” zu beachten sei:

Der aargauische Gesetzgeber hat es verpasst, die Zuständigkeit für die Bestellung und den Widerruf der amtlichen Verteidigung gleich zu regeln. Es ist nicht dargetan, dass dies bewusst geschehen ist, und selbst wenn dies zuträfe, wären keine nachvollziehbaren sachlichen Gründe für eine solche Unterscheidung ersichtlich. Es erscheint unhaltbar, gestützt auf die unvollständige kantonalgesetzliche Regelung von verschiedenen Zuständigkeiten auszugehen. Der angefochtene Entscheid erweist sich daher als willkürlich. Überdies verstösst er gegen die eidgenössische Strafprozessordnung. Wenn diese den Kantonen die organisatorische Möglichkeit belässt, die Verfahrensleitung auf eine örtlich zuständige Staatsanwaltschaft und eine Oberstaatsanwaltschaft aufzuteilen, so bedeutet dies nicht, dass die Zuständigkeiten beliebig zugewiesen werden dürfen. Insbesondere trifft dies für wesentliche Verfahrensfragen zu, wo eine möglichst einheitliche Praxis zu gewährleisten ist (vgl. das Urteil des Bundesgerichts 6B_949/2013 vom 3. Februar 2014 E. 2). Das gilt auch für einen Konträrakt zu einem wichtigen prozessualen Zwischenentscheid. Die Bestellung und der Widerruf der amtlichen Verteidigung stellen in diesem Sinne wesentliche prozessuale Zwischenentscheide dar, die miteinander in einem derart engen Zusammenhang stehen, dass sie sinnvollerweise in Beachtung des Grundsatzes der Parallelität der Formen von ein und derselben Behörde gefällt werden müssen (E. 3.6).

Interessant … Nun gut, man darf jedenfalls gespannt sein, wie sich der Fall entwickelt, der sich inzwischen bereits im Stadium des Hauptverfahrens befindet. Wahrscheinlich wird nun einfach die neu zuständige Verfahrensleitung die amtliche Verteidigung widerrufen. Das war ja bis zum Entscheid des Bundesgerichts nicht notwendig. Wieso das Bundesgericht am Schluss aber noch erwägt, es bleibe dem Beschwerdeführer

frei gestellt, für das vor dem Gerichtspräsidium Kulm hängige Gerichtsverfahren um amtliche Verbeiständung zu ersuchen (E. 4.1)

verstehe ich nicht. Vielleicht ist das Bundesgericht der Meinung, die amtliche Verteidigung gelte immer nur für einen Verfahrensabschnitt. Wäre das dann aber nicht ein Verstoss gegen die Parallelität der Formen?