Zur Änderung der Anklage
Art. 333 StPO sieht vor, dass der Richter unter bestimmten Umständen (rechtliche Würdigung)auf die Anklage, die er zu beurteilen hat, Einfluss nehmen kann. Die Norm ist bereits deshalb kritisch weil die personelle Trennung zwischen anklagenden und richterlichen Funktionen aufgeweicht wird.
In einem neuen Entscheid geht das Bundesgericht, das ja zwar an das Gesetz gebunden ist (verfassungskonforme Auslegung wird kaum noch praktiziert), noch einen Schritt weiter. Anstatt die Bestimmung verfassungskonform auszulegen, dehnt sie sie in dem Sinne aus, dass auch der Anklagesachverhalt geändert werden darf. Dies hatte im konkreten Fall sogar zur Folge, dass neu auch eine vorher nicht beschuldigte Person angeklagt wurde (BGer 6B_688/2017, 6B_689/2017 vom 01.02.2018). Damit verwirft das Bundesgericht erneut die als zu restriktiv empfundene Lehrmeinung von Ruckstuhl/Arnold/Dittmann, die einfach nur einer verfassungskonformen Auslegung von Art. 333 Abs. 1 StPO entspricht und im Übrigen entgegen der Auffassung des Bundesgerichts auch nicht widersprüchlich ist:
Die Anklageschriften unterscheiden sich bezüglich des Beschwerdeführers 1 lediglich hinsichtlich der Frage, ob das Feuer ohne Wissen des Beschwerdeführers 2 oder im Einvernehmen mit diesem gelegt wurde und folglich in Bezug auf das vom Beschwerdeführer 1 verfolgte Ziel. Damit geht die Vorinstanz zu Recht von einem Anwendungsfall von Art. 333 Abs. 1 StPO aus. Die erwähnte Bestimmung verlangt nicht, dass die Tatvorwürfe der neuen und der abgeänderten Anklage absolut identisch sind, ansonsten eine Änderung der Anklage nicht nötig wäre (vgl. Art. 350 Abs. 1 i.V.m. Art. 344 StPO). Art. 333 Abs. 1 StPO soll der Staatsanwaltschaft gerade die Ergänzung der Anklageschrift in tatsächlicher Hinsicht ermöglichen, während das Gericht bei einer bloss abweichenden rechtlichen Würdigung nach Art. 344 StPO vorzugehen hat. Der sehr restriktiven Auslegung der vom Beschwerdeführer 1 angerufenen Lehre (vgl. RUCKSTUHL/DITTMANN/ARNOLD, Strafprozessrecht, 2011, N. 1004 ff.) ist das Bundesgericht bisher nicht gefolgt (vgl. oben E. 2.3 und die dort zitierten Entscheide). Die erwähnte Lehrmeinung erachtet eine Anklageergänzung in tatsächlicher Hinsicht als nicht zulässig, wenn sich der angeklagte Sachverhalt in Details, für die strafrechtliche Beurteilung aber entscheidenden Punkten anders abgespielt hat als in der Anklage geschildert (vgl. RUCKSTUHL/DITTMANN/ARNOLD, a.a.O., N. 1005) bzw. wenn sich der Sachverhalt so wesentlich ändert, dass andere Straftatbestände auf ihn anwendbar werden (vgl. RUCKSTUHL/DITTMANN/ARNOLD, a.a.O., N. 1006). Damit würde Art. 333 Abs. 1 StPO praktisch unanwendbar, was nicht im Sinne des Gesetzgebers war. In der Argumentation der zitierten Autoren ist zudem ein gewisser Widerspruch erkennbar: Die Autoren schliessen eine Anwendung von Art. 333 Abs. 1 StPO aus mit der Begründung, es habe sich ein anderer als der in der Anklageschrift umschriebene Sachverhalt verwirklicht (vgl. RUCKSTUHL/DITTMANN/ARNOLD, a.a.O., N. 1005). Gleichzeitig erklären sie eine neue Anklage gestützt auf den Grundsatz “ne bis in idem” für unzulässig, weil der gleiche Sachverhalt bereits Gegenstand einer Anklage gewesen sei (RUCKSTUHL/DITTMANN/ARNOLD, a.a.O., N. 1007) [E. 2.5.1].
Das ist aber kein “gewisser Widerspruch”, sondern die Folge eines anderen Verfassungsgrundsatzes (ne bis in idem, vgl. EGMR No 14939/03, Zolotukhin v. Russia vom 10.02.2009).
Immerhin, der durch die Rückweisung der Anklage neu erfasste Beschuldigte konnte sich erfolgreich auf die Vorbefassung des Gerichts berufen:
Vorliegend ist allerdings zu berücksichtigen, dass sich das Strafgericht in seinem Rückweisungsbeschluss vom 23. September 2013 nicht darauf beschränkte, die Anklage zwecks Prüfung, ob der angeklagte Sachverhalt allenfalls unter den Tatbestand des (Versicherungs-) Betrugs fallen könnte, an die Staatsanwaltschaft zurückzuweisen. Es traf für die Begründung seines Entscheids vielmehr bereits vom Beschwerdeführer 2 später teils bestrittene Sachverhaltsfeststellungen (vgl. vorne E. 2.2), welche letztlich für dessen Schuldigsprechung entscheidend waren. Insgesamt entsteht aufgrund der Begründung des Strafgerichts im Rückweisungsbeschluss vom 23. September 2013 der Eindruck, dieses habe sich seine Meinung bereits gebildet. Dies wird letztlich auch durch das Urteil vom 13. Januar 2015 bestätigt. Das Strafgericht führt darin aus, bemerkenswert sei, dass sich die Beschwerdeführer gemäss eigenen Angaben schon mehrere Jahre kannten, der Beschwerdeführer 1 zum Tatzeitpunkt beim Beschwerdeführer 2 gewohnt habe, der ihn als Dolmetscher zur ersten Einvernahme begleitet habe und über ein Jahr später insofern zu entlasten versucht habe, als er telefonisch gegenüber der Staatsanwaltschaft erklärt habe, er wolle nicht, dass ein Unschuldiger bestraft werde. Schon allein diese Umstände liessen keinen anderen Schluss zu, als dass der Beschwerdeführer 1 im Einvernehmen mit dem Beschwerdeführer 2 gehandelt habe, um von der Versicherung Geld erhältlich zu machen (vgl. Akten Vorinstanz, Bd. 3, pag. 456, erstinstanzliches Urteil S. 8).Für eine unzulässige Vorbefassung spricht zudem, dass gegen den Beschwerdeführer 2 – anders als gegen den Beschwerdeführer 1 – im Zeitpunkt der Rückweisung der Anklage kein Strafverfahren hängig war und die Staatsanwaltschaft gegen diesen den Ausführungen im Beschluss vom 23. September 2013 zufolge auch keinen entsprechenden Verdacht hegte. Der Beschwerdeführer 2 konnte sich im Zeitpunkt, als sich das Strafgericht bereits ein Bild von seiner möglichen Schuld machte, als beschuldigte Person noch nicht zur Sache äussern. Hinzu kommt, dass das Gericht im Zusammenhang mit dem Rückweisungsbeschluss vom 23. September 2013 bereits eigene Ermittlungen tätigte, indem es mit der A.________-Versicherung telefonischen Kontakt aufnahm. Insgesamt ist dem Beschwerdeführer 2 beizupflichten, dass die erforderliche Offenheit des Verfahrens bei einer Beurteilung durch die bereits am Rückweisungsbeschluss vom 23. September 2013 beteiligten Richter nicht gewährleistet war und bei objektiver Betrachtungsweise Umstände vorlagen, die den Anschein der Voreingenommenheit der beteiligten Richter begründeten (E. 3.4.2).