Zur Anrechnung grober Nachlässigkeit der Verteidigung

Nach einer erstinstanzlichen Verurteilung hat ein Verteidiger die richterliche Frist zur schriftlichen Berufungsbegründung verpasst. Das Obergericht des Kantons Aargau hat die Wiederherstellung der verpassten Frist abgelehnt und in der Folge das Verfahren als durch Rückzug gegenstandslos geworden abgeschrieben.

Das Bundesgericht kassiert den Entscheid (BGer 6B_354/2017 vom 25.10.2017) und verpflichtet die Vorinstanz, die Berufung zu behandeln. Es stützt sich dabei auf seine Rechtsprechung BGE 143 I 284 E. 1.3; Urteil 6B_294/2016 vom 5. Mai 2017 E. 2.2.2 und 2.3, nicht publ. in BGE 143 I 284; je mit Hinweisen; vgl. dazu meinen früheren Beitrag)

Das Verpassen der richterlichen Frist zur Einreichung der Beschwerdebegründung ist als grobe Nachlässigkeit im obgenannten Sinn seitens des Anwalts des Beschwerdeführers zu qualifizieren. Entgegen der vorinstanzlichen Auffassung handelt es sich zudem um einen Fall der notwendigen Verteidigung nach Art. 130 lit. d StPO, zumal die Staatsanwaltschaft vor erster Instanz persönlich auftrat und eine notwendige Verteidigung diesfalls bis zum Abschluss des Rechtsmittelverfahrens zu gewähren ist (BGE 129 I 281 E. 4.3; Urteil 6B_876/2013 vom 6. März 2014 E. 2.4.1). Inwiefern dem Beschwerdeführer selbst ein Vorwurf hinsichtlich des Fristversäumnisses zu machen wäre, ist nicht ersichtlich. Dass ihm aus dem Säumnis ein erheblicher und unersetzlicher Rechtsverlust erwachsen würde, liegt hingegen auf der Hand, indem er sich durch den Fehler seines Anwalts der Möglichkeit beraubt sähe, das erstinstanzliche Urteil durch eine zweite Instanz überprüfen zu lassen und sein Schuldspruch wegen fahrlässiger Tötung in Rechtskraft erwachsen würde. Dieser Nachteil könnte auch durch keine andere Massnahme behoben werden (E. 1.4).

Nicht klar ist mir weiterhin, ob und wieso eine grobe Nachlässigkeit vorliegen muss. Auch die Voraussetzung der notwendigen Verteidigung erscheint mir nicht zwingend.