Zur “Ausdehnung gutheissender Rechtsmittelentscheide”

Art. 392 Abs. 1 lit. a StPO regelt einen Teilaspekt von sich widersprechenden Urteilen und lautet wie folgt:

Haben nur einzelne der im gleichen Verfahren beschuldigten oder verurteilten Personen ein Rechtsmittel ergriffen und wird dieses gutgeheissen, so wird der angefochtene Entscheid auch zugunsten jener aufgehoben oder abgeändert, die das Rechtsmittel nicht ergriffen haben, wenn:

a. die Rechtsmittelinstanz den Sachverhalt anders beurteilt

Art 410 Abs. 1 lit. b StPO nennt einen Revisionsgrund, der vorliegt, wenn

der Entscheid mit einem späteren Strafentscheid, der den gleichen Sachverhalt betrifft, in unverträglichem Widerspruch steht;

Was aber gilt, wenn der spätere Strafentscheid den gleichen Sachverhalt bloss anders beurteilt? Das Bundesgericht entscheidet sich für die Variante, die für den Beschuldigten ungünstiger ist (BGE 6B_1476/2020, 6B_48/2021 vom 28.10.2021, Publikation in der AS vorgesehen):

A l’instar de l’art. 410 al. 1 let. a CPP, il faut admettre que l’art. 392 CPP ne vise qu’à corriger les faits sur lesquels un jugement est fondé. Il ne sera pas applicable si l’autorité de recours se fonde sur les mêmes faits, mais qu’elle qualifie ceux-ci de manière différente. La requalification juridique ne conduit donc pas à l’extension de la décision attaquée aux autres prévenus (E. 7.3.4)