Zur Elastizität des Gesetzes

In Basel ist ein Jugendlicher wegen versuchter schwerer Körperverletzung, Nötigung und Angriffs zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden. Bis vor Bundesgericht machte er eine Verletzung des Anspruchs auf notwendige Verteidigung im Vorverfahren geltend, blieb damit aber – erstaunlicherweise – erfolglos (BGer 6B_655/2016 vom 01.12.2016).

Gemäss Bundesgericht liegt ein Fall von notwendiger Verteidigung nach Art. 24 lit. a JStPO nämlich nur vor, wenn ein (unbedingter) Freiheitsentzug droht:

Nach den kantonalen Behörden bezieht sich Art. 24 lit. a JStPO nach seinem Wortlaut auf den unbedingten Freiheitsentzug. Sie stützen sich dazu auf HEBEISEN sowie JOSITSCH ET AL. (oben E. 1.2). Diese Auslegung kann sich auf den Gesetzeswortlaut berufen, wonach der Jugendliche verteidigt werden muss, wenn ihm ein “Freiheitsentzug” von mehr als einem Monat oder eine “Unterbringung” droht. Der bundesrätlichen Erläuterung (oben E. 1.3) lässt sich nichts Gegenteiliges entnehmen.

Das Bundesgericht weist die Frage der Notwendigkeit ins Reich des Ermessens, das im von “Elastizität” geprägten Jugendstrafrecht als ausgesprochenem Täterstrafrecht vermehrt zur Anwendung gelangen müsse:

Von der Jugendanwaltschaft wurde zunächst weder ein (unbedingter) Freiheitsentzug in Betracht gezogen noch beabsichtigt, das Verfahren gegen den Beschwerdeführer zur Anklage zu bringen, d.h. einen Freiheitsentzug von mehr als drei Monaten (Art. 34 Abs. 1 lit. c JStPO) in Betracht zu ziehen. Wie das Jugendgericht festhielt, ist eine Prognose oft schwierig zu stellen. Es beurteilte die Einschätzung des Jugendanwalts als nicht abwegig (…). Das Bundesgericht hatte bereits ausgeführt, im Jugendstrafverfahren sei angesichts der “Elastizität” des für Jugendliche geltenden Straf- und Massnahmensystems schwierig festzulegen, wann ein Anspruch auf Bestellung des unentgeltlichen Rechtsbeistands besteht (BGE 111 Ia 81 E. 3c S. 85). Das gilt ebenso hinsichtlich einer notwendigen Verteidigung. Weil die Deliktskategorie nicht allein entscheidet (oben E. 1.3; HEBEISEN, a.a.O., N. 2 zu Art. 24 JStPO), lässt sich die Sanktion angesichts des prognostischen Charakters dieser Einschätzung nicht in jedem Fall im Vorverfahren oder einer ersten Phase des Untersuchungsverfahrens bereits hinreichend exakt vorwegnehmen. Dies kann in einfachen Konstellationen nicht im Widerspruch zu der Konzeption des Jugendstrafprozesses zur Unverwertbarkeit sämtlicher Beweisaufnahmen führen. Den Jugendstrafbehörden ist auch hier ein Entscheidermessen zuzugestehen (E. 1.5.3).

Die weitere Begründung befasst sich mit der Frage, dass der Beschwerdeführer über seine Rechte aufgeklärt war und sie auch verstanden hat. Wieso der Beschwerdeführer nicht einmal die unentgeltliche Rechtspflege erhielt, lässt sich dem Entscheid nicht entnehmen (es wurde vorab in einem nicht publizierten Entscheid abgewiesen).