Zur Handhabung der amtlichen Verteidigung
NZZonline kommt auf den Zwillingsmord von Horgen (vgl. meinen früheren Beitrag) und die geäusserte Kritik an der Verteidigerin zurück. Es geht dabei weniger um den Einzelfall, sondern um “generelle Kritik an der Handhabung der amtlichen Verteidigung”. Die wichtigsten Kritikpunkte mit meinen Bemerkungen in Klammern:
- Amtliche Verteidigungen werden durch das Gericht an Anwälte übertragen, die sich in eine entsprechende Liste eintragen lassen können. Die Zuteilung erfolgt in alphabetischer Reihenfolge [in den meisten Kantonen wählen die Strafverfolger ihre “Gegner” selbst aus und dies mehr oder weniger willkürlich].
- Die Arbeit eines Pflichtverteidigers wird mit 200 Franken pro Stunde entschädigt – das ist weniger als der übliche Tarif [von einem solchen Stundenansatz können Verteidiger in anderen Kantonen nur träumen].
- Ist eine Pflichtverteidigung einmal bestellt, kann sie kaum mehr ausgewechselt werden [was dazu führen kann, dass eine wirksame Verteidigung gar nicht mehr möglich ist].
- Pflichtverteidiger haben manchmal das Gefühl, Straffälle nebenbei behandeln zu können [was ihre Chancen auf Zuteilung amtlicher Mandate zumindest nicht verschlechtert].
- Obwohl gerade Strafprozesse für die Angeklagten einschneidende Folgen haben können, werden an Pflichtanwälte keinerlei fachliche Anforderungen gestellt, noch müssen sie Praxiserfahrung vorweisen [nun gut, das müssen Richter und Staatsanwälte bekanntlich auch nicht].
Zum Thema gäbe es noch viel zu sagen.
… und im Kanton Zürich muss man sich fragen, wieso Rechtsanwälte zu diesem Tarif arbeiten (müssen) – man rechne!
… immerhin wird von diesen nicht erwartet, zum Billigtarif Erfahrungen zu sammeln – die 200 Franken sind ja eins, hinzu kommt die Frage der Verrechenbarkeit. Jedenfalls ist klar, dass erfahrene Zürcher Strafverteidiger üblicherweise nicht für 200 Franken/Stunde arbeiten.
Danke für den Hinweis auf den NZZ-Artikel!
Was soll das heissen: an die Pflichtanwälte werden keine fachlichen Anforderungen gestellt? Schätze das müssen doch immerhin ausgebildete Anwälte/innen sein – und ganz so anspruchslos wird die Prüfung wohl auch im Kanton Zürich nicht sein… (das gleiche gilt vermutlich für die Richter/innen und Staatsanwälte).
Ein Anwaltspatent oder eine Eintragung im Anwaltsregister stellen keine Qualifikationen dar. Sie belegen aber immerhin eine juristische Ausbildung. Dagegen müssen Richter und Staatsanwälte in manchen Kantonen nicht einmal darüber verfügen.
Wie und durch wen erfolgt eigentlich die Zuteilung von Pflichtanwälten im Kanton Solothurn?
Das ist ein weites Feld, zu dem es viel zu sagen gäbe. Normalerweise erfolgt die Zuteilung im Rahmen der Untersuchung, also durch den Staatsanwalt, der das Verfahren führt. Nach welchen Kriterien er die amtliche Verteidigerin auswählt, weiss man nicht. Es soll eine Liste von Anwälten geben, aber es ist nicht bekannt, dass diese Liste nach einer bestimmten Systematik abgearbeitet würde. Auffallend ist, dass es ein paar wenige Anwälte sind, welche die Mandate kriegen. Ich nehme an, es sind die besten, die vernünftigsten. Es soll auch vorkommen, dass die Beschuldigten Wünsche äussern (die grundsätzlich zu beachten sind) und der Staatsanwalt diese Wünsche dann bewertet. Es kommt natürlich auch vor, dass erst nach der Anklage auffällt, dass ein Beschuldigter vertreten sein müsste. In diesen Fällen ist es dann das Gericht, welches einen amtlichen Verteidiger einsetzt. Ein weites Feld …
Meine Erfahrungen aus dem Kanton Bern sind schnell zusammengefasst:
Die amtlichen Mandante werden von den Untersuchungsrichtern an ihre Studienkollegen, Vereinsbrüder, Göttikinder usw verteilt. Einzelne Untersuchungsrichter verteilen die unbeliebten Mandate (Kinderschänder, Vergewaltiger etc) an frisch praktizierende Junganwälte, weil die Bekannten sie nicht wollen…
Ich muss leider gottes Chris2 recht genem was die sachlage im Kanton bern angeht es ist ganz genau so, wie er es schildert! Und nicht anders was manchmal zu leiden des Angeklagten geht !! wenn nicht immer !! Allgemein mann muss sich mit der Sachlage befassen wie es die richter auch tun (sollten) die meisten Pflichtverteidiger (Fürsprecher im Kt. Bern) gehen dem Polizei protokol nach gruss an MUKI
Welche Möglichkeit gibt es denn für deutsche Anwälte in der Schweiz, zu diesen traumhaften Honoraren tätig zu werden?
Dieselben.
Wenn man einen Pflichtverteidiger braucht ist es ratsam diesen selber zu wählen am besten auf Empfehlung. Einen gestellten Anwalt durch das Gericht sollte keinesfalls angenommen werden da diese weder fachlich kompetent sind noch sich mit verfahrensrecht auskennen.
Das würde ich so nicht unterschreiben. Richtig ist aber schon, dass man das nicht den Behörden (oder dem Zufall) überlassen sollte.