Zur Qualität kantonaler Entscheide

Die Qualität kantonaler Gerichtsentscheide lässt bisweilen stark zu wünschen übrig. Einen Ausreisser der doch eher üblen Art ist einem heute online gestellten Entscheid des Bundesgerichts zu entnehmen (BGer 1B_608/2011 vom 10.11.2011). Das Bundesgericht stellt fest, dass die Rechte des Beschwerdeführers im Zusammenhang mit seinem Gesuch um vorzeitige Entlassung aus dem Massnahmevollzug gleich mehrfach verletzt wurden:

  • Die Vorinstanz hat das falsche Recht angewendet. Anwendbar war die Schweizerische Strafprozessordnung (Art. 453 f. StPO);
  • Der angefochtene Entscheid war nicht unterzeichnet (Art. 80 StPO);
  • Eine Eingabe der Staatsanwaltschaft wurde dem Beschwerdeführer erst mit dem Entscheid zugestellt (Verletzung des Replikrechts nach Art. 29 Abs. 2 BV und Art. 6 Ziff. 1 EMRK);
  • Verletzung des Beschleunigungsgebots (Fünftage-Frist nach Art. 233 StPO);
  • Verletzung der Begründungspflicht (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 112 Abs. 1 lit. b BGG).
  • Einer Überprüfung nicht einmal zugänglich war das Hauptbegehren des Beschwerdeführers um Entlassung. Dir Vorinstanz erhält nun eine zweite Chance, wobei das Bundesgericht damit in Kauf nimmt, dass die bereits jetzt festgestellte Verletzung des Beschleunigungsgebots weiter an Schwere zunimmt.

    Genugtuung erhält der Beschwerdeführer dafür mit der Feststellung der Verletzung des Beschleunigungsgebots im Dispositiv selbst:

    Auch wenn darin eine klare Verletzung des Beschleunigungsgebots liegt, kann nicht gesagt werden, sie wiege besonders schwer und die Strafverfolgungsbehörden liessen erkennen, dass sie nicht gewillt oder in der Lage sind, das Verfahren nunmehr mit der für Haftfälle verfassungs- und konventionsrechtlich gebotenen Beschleunigung voranzutreiben.
    Die Verletzung des Beschleunigungsgebots ist somit im Dispositiv festzustellen. Damit und mit einer für den Beschwerdeführer vorteilhaften Kostenregelung wird diesem eine hinreichende Wiedergutmachung (vgl. Art. 41 EMRK) verschafft (BGE 136 I 274 E. 2.2 S. 278 mit Hinweisen) (E. 2.6).

    Zur Ehrenrettung der Vorinstanz ist anzufügen, dass sie wengistens selbst eingesehen hatte, das falsche Recht angewendet zu haben. Dies hinderte sie aber nicht daran, im Übrigen die Abweisung der Beschwerde zu beantragen.