Zur Rechtsbelehrung nach Art. 158 StPO
Ein wegen Drohung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilter Mann trug vor Bundesgericht diverse formelle Beschwerden vor, welche nun in einem zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheid allesamt abgewiesen wurden (BGE 6B_912/2013 vom 04.11.2014).
Trotz der langen Verfahrensdauer vor Bundesgericht, trotz Fünferbesetzung und trotz Publikationswürdigkeit qualifizierte das Bundesgericht die Beschwerde als von vornherein aussichtslos. Die Lehre und das Publikum – und vielleicht sogar das Bundesgericht selbst – sind dem Anwalt des Beschwerdeführers dankbar, dass er einen wichtigen Entscheid über relevante Rechtsfragen provoziert hat und – vor allem – dass er dies pro bono gemacht hat. Darauf läuft der Kostenentscheid nämlich hinaus, wenn der Anwalt damit gerechnet hat, dass die Beschwerde seines Mandanten in allen Punkten von allen beteiligten Bundesrichterinnen und Bundesrichtern als von vornherein aussichtslos qualifiziert werden würde.
Der praktisch wohl wichtigste Aspekt des Entscheids betrifft die nach Art. 158 Abs. 1 lit. a und Art. 143 Abs. 1 lit. b StPO geschuldeten Informationspflichten zu Beginn der ersten Einvernahme. Die Bedeutung der Information umschreibt das Bundesgericht wie folgt:
Die Information über den Gegenstand der Strafuntersuchung ist Voraussetzung dafür, dass sich der Beschuldigte zu den Tatvorwürfen äussern kann (vgl. Art. 143 Abs. 4 StPO). Einvernahmen ohne diese Hinweise sind nicht verwertbar (Art. 158 Abs. 2 StPO). Die Belehrung ist im Protokoll zu vermerken (Art. 143 Abs. 2 StPO) [E. 1.3.3].
Damit ist noch nicht gesagt, wie genau die Vorwürfe zu umschreiben sind. Dazu hatte sich das Bundesgericht erst kürzlich geäussert (vgl. meinen früheren Beitrag) und bestätigt seine Meinung, die soweit ersichtlich auch in der Lehre einhellig vertreten wird:
Der Beschuldigte muss in allgemeiner Weise und nach dem aktuellen Verfahrensstand darüber aufgeklärt werden, welches Delikt ihm zur Last gelegt wird. Dabei geht es nicht in erster Linie um den Vorhalt strafrechtlicher Begriffe oder Bestimmungen, sondern um denjenigen der konkreten äusseren Umstände der Straftat (E. 1.3.3).
Viel klüger sind wir damit noch immer nicht. Immerhin ist klargestellt, dass es nicht reicht, einer beschuldigten Person einfach die Tatbestände vorzuhalten, etwa in dem Sinne, dass sie des Betrugs verdächtigt sei. Das ist in der Praxis gang und gäbe und scheint niemanden zu interessieren, auch viele Verteidiger übrigens nicht. Der im vorliegenden Fall zu beurteilende Information ist gegenüber der Praxis weit überdurchschnittlich detailliert:
Der Beschwerdeführer wurde in der polizeilichen Einvernahme vom 23. November 2012, 10.12 Uhr, von der einvernehmenden Beamtin darüber orientiert, dass er festgenommen worden sei, weil er eines Verbrechens oder Vergehens verdächtigt sei. Es sei gegen ihn ein Strafverfahren wegen Drohung, begangen am Donnerstag, 22. November 2012, ca. 16.10 Uhr, in Zürich, C.-Strasse, zum Nachteil der Privatklägerin, eingeleitet worden, in dem er als Beschuldigter befragt werde (…). Der Beschwerdeführer wurde im Weiteren über seine Rechte belehrt. Im Anschluss daran wurde die Einvernahme unterbrochen und am Nachmittag desselben Tages in Anwesenheit des Verteidigers des Beschwerdeführers und eines Dolmetschers fortgesetzt. Dabei wurde er zunächst zu seinen Personalien befragt. Anschliessend daran wurde ihm vorgehalten, er habe am Donnerstag, 22. November 2012, ca. 16.10 Uhr, in Zürich, C.-Strasse, zum Nachteil der Privatklägerin ein Drohung begangen (…). Im weiteren Verlauf der Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, nach den Aussagen der Privatklägerin habe er gedroht, er werde sie und ihren Ehemann umbringen (…) [E. 1.3.4].
Dem Bundesgericht genügte diese Information mit folgender Begründung
Es trifft zu, dass in der ersten Einvernahme bei der Information des Beschwerdeführers über den Verfahrensgegenstand der Inhalt der Drohung nicht genannt wurde. Indes wurde ihm nicht bloss pauschal vorgeworfen, die Privatklägerin bedroht zu haben. Vielmehr wurden Tatzeitpunkt und Tatort präzise umrissen, so dass sich der Beschwerdeführer, dessen Verteidiger bei der Fortsetzung der Einvernahme am Nachmittag vom 23. November 2012 anwesend war, entsprechend verteidigen konnte. Die Vorinstanz verletzt somit kein Bundesrecht, wenn sie annimmt, die Einvernahmen seien nicht prozessrechtswidrig erfolgt. Damit erübrigt es sich, auf die Frage einzugehen, ob bei fehlender Information über den Verfahrensgegenstand in der ersten Einvernahme sämtliche nachfolgenden Vernehmungen nichtig sind (E. 1.3.4).
Das ist wohl nicht zu beanstanden, weil Tatort, Tatzeit, Opfer und die Straftat “Drohung” bekannt waren, zumal der juristische Begriff der Drohung nicht als allzu abstrakt erscheint. Dagegen kann man sich tatsächlich auch dann verteidigen, wenn der Inhalt der Drohung noch nicht genannt wird.
Denkbar sind aber durchaus Fälle, in denen auch diese Information nicht reichen kann, beispielsweise bei einem Betrugsvorwurf. Diesfalls müsste mindestens vorgehalten werden, wer durch welche Handlung oder Unterlassung getäuscht worden sein soll. Ohne diese Information ist eine Verteidigung nicht möglich.
Ich frage mich einfach ein bisschen, was die richtige Reihenfolge der Belehrungen ist. Gemäss Art. 158 StPO ist es (vereinfacht gesagt) 1. Info über die Straftaten, 2. Belehrung über das Aussageverweigerungsrecht, 3. Möglichkeit, eine Verteidigung beizuziehen, 4. Hinweis auf Übersetzer (wobei man den ja eigentlich von Anfang an braucht, wenn man ihn denn benötigt). Gemäss Art. 143 StPO ist es 1. Befragung über die Personalien, 2. Information über den Gegenstand des Strafverfahrens, 3. Information über die Rechte und Pflichten. Kann natürlich sein, dass die Reihenfolge im Gesetz nicht der zeitlichen Abfolge in der Einvernahme entsprechen soll, sondern zufällig ist. Meines Erachtens ist es jedenfalls falsch (den Beschuldigten), zunächst zu den Personalien zu befragen – stattdessen ist zuerst über die Rechte und Pflichten zu belehren, da man ja bereits bei den Personalien das Recht hat, die Aussage zu verweigern.
Richtig. Die Belehrungen gehören immer an den Beginn der Einvernahme (egal ob zur Person oder zur Sache, was ohnehin nicht klar zu trennen ist). So steht es ja auch im Gesetz, wird aber kaum je beachtet.
Die Personalien müssen gegenüber der Polizei (polizeiliche Einvernahme z.B) immer bekannt gegeben werden. Von dem her stimmt die Reihenfolge. Zuerst die Personalien (da kann sich niemand auf das Aussageverweigerungsrecht berufen) und anschliessend Information über Gegenstand des Strafverfahrens.