Zur rechtswirksamen Zustellung von Verfügungen nach Deutschland
Das Obergericht BE machte sich die Arbeit etwas zu einfach, als es eine Berufung als zurückgezogen abschrieb, nachdem der Berufungskläger in einem schriftlichen Berufungsverfahren keine Berufungsbegründung eingereicht hatte. Der Haken lag in der Tatsache, dass der Berufungskläger in Deutschland lebt und die Vorinstanz nicht nachweisen konnte, dass die entsprechende Frist und die Androhung der Säumnisfolgen rechtswirksam zugestellt wurden. Der Berufungskläger obsiegt mit seiner Laienbeschwerde (BGer 6B_185/2020 vom 11.05.2020):
Die blosse Erfassung einer eingeschrieben versandten Sendung im “Track & Trace”-Auszug als “zugestellt” genügt der in Art. 85 Abs. 2 StPO vorgesehenen qualifizierten Zustellungsform nicht. Massgebend ist insoweit vielmehr die tatsächliche Kenntnisnahme durch den Empfänger (BGE 145 IV 252 E. 1.3.2; 144 IV 57 E. 2.3.2). Eine solche lässt sich vorliegend mangels Empfangsbestätigung nicht nachweisen (BGE 144 IV 57 E. 2.3.1). Von einer rechtswirksamen Zustellung und Eröffnung der Verfügung vom 13. Dezember 2019 im Sinne von Art. 85 Abs. 2 StPO kann folglich nicht ausgegangen werden. Indem die beweisbelastete Vorinstanz den blossen “Track & Trace”-Auszug der Post als Nachweis der Zustellung genügen lässt und daran nachteilige Rechtswirkungen für den Beschwerdeführer knüpft (Abschreibung des Berufungsverfahrens), verletzt sie Bundesrecht (E. 3).
Zur Zustellung nach EUeR:
Gestützt auf Art. 16 Abs. 2 des zweiten Zusatzprotokolls zum Rechtshilfeübereinkommen (2. ZP zum EUeR; SR 0.351.12) durfte die Vorinstanz die Verfügung vom 13. Dezember 2019 direkt an den Beschwerdeführer schicken, ohne dass ein Zustelldomizil in der Schweiz zu bezeichnen war (Art. 87 Abs. 2 StPO) [E. 3, Hervorhebungen durch mich].