Zur Verwertbarkeit privater Observationsergebnisse
Ein verurteilter IV-Betrüger dringt mit seinen Rügen auch vor Bundesgericht nicht durch (BGer 6B_739/2018 vom 12.04.2019). Er hatte u.a. gestützt auf die Vukota-Entscheidung des EGMR
(EGMR. Vukota-Bojic v. Switzerland vom 18.10.2016, App.-Nr. 61838/10, § 69-77) geltend gemacht, die gegen ihn geführte Überwachung im öffentlichen Raum habe seine Privatsphäre verletzt (Art. 8 EMRK und Art. 13 BV).
Das Bundesgericht legt zunächst die Theorie zur Verwertbarkeit privat erlangter Beweismittel dar:
[…]. Wieweit die Beweisverbote greifen, wenn nicht staatliche Behörden, sondern wie hier Privatpersonen Beweismittel sammeln, wird in der Strafprozessordnung nicht explizit geregelt. Die bundesgerichtliche Rechtsprechung geht in Anlehnung an die Doktrin davon aus, dass von Privaten rechtswidrig erlangte Beweismittel nur verwertbar sind, wenn sie von den Strafverfolgungsbehörden rechtmässig hätten erlangt werden können und kumulativ dazu eine Interessenabwägung für deren Verwertung spricht (Urteile 6B_786/2015 vom 8. Februar 2016 E. 1.2; 6B_983/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.2; je mit Hinweisen). Es bedarf einer Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Wahrheitsfindung und dem privaten Interesse der angeklagten Person, dass der fragliche Beweis unterbleibt (BGE 137 I 218 E. 2.3.4; Urteile 6B_786/2018 vom 21. Januar 2019 E. 2.4; 6B_1311/2017 vom 23. August 2018 E. 2.3) [E. 1.3, Hervorhebungen durch mich].
Die Theorie führt zur Verurteilung bzw. zur Abweisung der Beschwerde::
Wesentlich ist, ob die Strafverfolgungsbehörden das strittige Beweismittel hätten erheben können, wenn ihnen der Tatverdacht gegen den Beschwerdeführer bekannt gewesen wäre (Urteile 6B_786/2015 vom 8. Februar 2016 E. 1.3.1; 6B_983/2013 vom 24. Februar 2014 E. 3.3 mit Hinweis). Die IV-Stelle der SVA erhielt am 14. Dezember 2012 ein anonymes Schreiben, aus dem hervorging, dass der Beschwerdeführer sehr gut auf seine Kinder aufpassen könne, den Haushalt mache und eine Villa in Montenegro gebaut habe. Ferner wurde bereits im Bericht von Dr. C. vom 4. Dezember 2003 betreffend den Beschwerdeführer ausdrücklich darauf hingewiesen, die Möglichkeit eines Rentenbegehrens im Auge zu behalten. Unter Berücksichtigung dieser Anhaltspunkte hätten die Strafverfolgungsbehörden nach den Voraussetzungen von Art. 282 StPO die Observation im öffentlichen Raum durchführen und das Beweismaterial rechtmässig erlangen können. Die Interessenabwägung spricht ebenfalls für die Verwertbarkeit des Observationsberichts. Vor dem Hintergrund der durchgeführten Observation, die nicht systematisch war und sich auf die Aktivitäten des Beschwerdeführers im öffentlichen Raum beschränkte, ist nicht zu beanstanden, wenn die Vorinstanz von einem relativ bescheidenen Eingriff in die grundrechtliche Position des Beschwerdeführers ausging. Demgegenüber erfüllt der Sozialversicherungsbetrug über mehrere Jahre hinweg das Kriterium der schweren Straftat (vgl. BGE 143 IV 387 E. 4.6; Urteile 6B_14/2018 vom 8. März 2019 E. 2.6.4; 6B_1311/2017 vom 23. August 2018 E. 2.3), weshalb ein erhebliches öffentliches Interesse an der Verwertung des Beweismittels besteht. Die Kritik des Beschwerdeführers an der Verwertung des Observationsberichts ist unbegründet (E. 1.4, Hervorhebungen durch mich).
Wurde eigentlich das öffentliche Interesse auch schon privaten Interessen untergeordnet?
Ja, in BGE 137 I 218, E. 2.3.5.2, dem “Badenfahrt-Fall”, wurden die privaten Interessen als überwiegend erachtet.
Herzlichen Dank für den Hinweis, Verfassungsrechtler. Die Badenfahrt hatte ich nicht mehr auf dem Radar.