Zur Wiedererwägung nach der “Verwaltungstrafrechtsordnung”
Nach Art. 267 Abs. 1 StPO ist die Beschlagnahme auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Beschlagnahmevoraussetzungen nicht mehr erfüllt sind.
In einem aktuellen Urteil des Bundesgerichts (BGer 1B_74/2022 vom 20.05.2022) ging es um einen Fall, in dem das Berufungsgericht die Freigabe zwar angeordnet, aber an die Rechtskraft seines Urteils geknüpft hat. Der Betroffene beantragte anschliessend beim Berufungsgericht die sofortige Freigabe. Dabei soll es sich um ein Wiedererwägungsgesuch gehandelt haben, obwohl die Wiedererwägung “weder in der Verwaltungsstrafrechtsordnung noch in der Strafprozessordnung vorgesehen” sei:
Beantragt die von der Beschlagnahme betroffene Person deren Aufhebung, ersucht sie damit grundsätzlich um Wiedererwägung (…). Die Wiedererwägung ist zwar weder in der Verwaltungsstrafrechtsordnung noch in der Strafprozessordnung vorgesehen (vgl. Urteil 6B_562/2020 vom 23. Juni 2020 E. 2.4 zur Strafprozessordnung). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts besteht jedoch eine behördliche Pflicht, auf ein entsprechendes Gesuch einzutreten, wenn sich die Umstände seit dem ersten Entscheid wesentlich geändert haben oder wenn die betroffene Person erhebliche Tatsachen und Beweismittel namhaft macht, die ihr im früheren Verfahren nicht bekannt waren, oder die schon damals geltend zu machen für sie rechtlich oder tatsächlich unmöglich war, oder wozu keine Veranlassung bestand (BGE 127 I 133 E. 6; 124 II 1 E. 3a; je mit Hinweisen; vgl. Urteile 1B_566/2020 vom 2. Februar 2021 E. 2.2; 6B_1160/2018 vom 29. April 2019 E. 3.1; je mit Hinweisen; DAPHINOFF/BERISHA, a.a.O., S. 78; PATRICK GUIDON, a.a.O, N. 8c zu Art. 396 StPO; vgl. EICKER/FRANK/ACHERMANN, Verwaltungsstrafrecht und Verwaltungsstrafverfahrensrecht, 2012, S. 229).
Die Beschlagnahme ist doch v.a. ein Grundrechtseingriff, der immer verhältnismässig, also u.a. notwendig, sein muss. Auf einen entsprechenden Antrag muss m.E. deshalb immer eingetreten werden.
die Schweiz ist das einzige Land des Europarats welchen den Grundrechtseingriff “Wegnahme Eigentum” nicht im Schutzkalender des EMRK ratifiziert hat, weshalb der Eigentumsschutz wohl in der Regel keinen grossen Stellenwert hat in der Schweiz.
Das liest sich nach meiner Erfahrung in den betreffenden Urteilen in etwa “am Ende des Strafverfahrens kann der Betroffene sämtliche Beschwer vortragen, weshalb auf sein Gesuch um Freigabe der Wertgegenstände nicht eingetreten wird”.
Merke… der berühmte “Zwischenbescheid” im schweizer-Rechts-Deutsch