Zwangstherapie
Das Obergericht des Kantons Aargau hat die kleine Verwahrung über einen therapieunwilligen Verurteilten verhängt. Das Bundesgericht schützt den Entscheid und weist darauf hin, dass der fehlende Wille auf die psychische Störung zurückzuführen sei und im Rahmen der Therapie herzustellen sei (BGer 6B_543/2015 vom 10.12.2015, Fünferbesetzung).
Wahrscheinlich bin ich einfach zu liberal, um Erwägungen wie die folgenden erträglich finden zu können:
Jedoch dürfen nach Lehre und Rechtsprechung an die Therapiewilligkeit im Zeitpunkt des richterlichen Entscheids keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden. Das Gesetz misst der Behandlungsbereitschaft des Täters lediglich bei der stationären Suchtbehandlung (Art. 60 Abs. 2 StGB), nicht aber bei der stationären Behandlung von psychischen Störungen (Art. 59 StGB) besondere Bedeutung zu. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass es durchaus aufgrund der psychischen Erkrankung des Betroffenen an der Fähigkeit fehlen kann, die Notwendigkeit und das Wesen einer Behandlung abzuschätzen. Mangelnde Einsicht gehört bei schweren, langandauernden Störungen häufig zum typischen Krankheitsbild. Ein erstes Therapieziel besteht daher oft darin, Einsicht und Therapiewilligkeit zu schaffen, was gerade im Rahmen stationärer Behandlungen auch Aussichten auf Erfolg hat (…)
Auch im zu beurteilenden Fall wird die Einsicht und Therapiewilligkeit des Beschwerdeführers noch zu schaffen sein (E. 4.2.3).
Angesichts der Anlasstaten erscheint das als eher unverhältnismässig, zumal die schwerste Tat ein Delikt ohne Opfer ist (qualifizierte Widerhandlungen gegen das Betäubungsmittelgesetz, mehrfache Übertretung desselben, mehrfache Widerhandlung gegen das Waffengesetz sowie einfache Körperverletzung). Unter diesen Umständen hätte es doch genügt, die Freiheitsstrafe zu vollziehen.
Mit dieser psychiatrie-freundlichen, umgekehrt menschenfeindlichen Begründung kann faktisch ein jeder Bürger verwahrt werden. Wenn der Erfolg einer solchen Therapie daraus besteht, den Zwangspatient krankheits-einsichtig zu richten, dann ist ein solches Bestreben nicht mehr weit von erzwungenen / erpressten Geständnissen entfernt. Mit dem Urteil werden weniger die Grundrechte, als vielmehr die ökonomische Absicherung der psychiatrischen und Luftibus-Krankheits-Prognostikern gestützt.
Vielleicht hätte es etwas genützt, wenn er bereits unwillig gewesen wäre, sich begutachten zu lassen. Andererseits ist ja die dissoziale Persönlichkeitsstörung auch schnell ohne aktive Mitwirkung des Exploranden diagnostiziert. Die Diagnose ist ein logisch und faktischer Teufelskreis. Frei nach Foucault: Er ist krank, weil er Straftaten begangen hat und er hat Straftaten begangen, weil er krank ist.
Der Betroffene befindet sich bereits im vorzeitigen Strafvollzug. Demnach dürfte er den Zeitpunkt der 2/3 Entlassung schon sehr bald erreicht haben. Wenn er sich konsequent der Therapie verweigert, muss diese abgebrochen und er entlassen werden. Ich wünsche den Vollzugsbehörden viel Glück bei der Suche nach einem Massnahmezentrum, welches so einen “Patienten” aufnehmen will.
Zudem ist es falsch/unnötig, wenn sowohl das Erst- als auch das Obergericht einen Aufschub der Freiheitsstrafe bei einer stationären Massnahme anordnet. Gemäss Art. 57 Abs. 2 StGB geht der Vollzug der stationären Massnahme IMMER vor, das Gericht kann gar nichts anderes anordnen. Nur bei der ambulanten Massnahme muss es über den Aufschub im Urteil befinden (Art. 63 Abs. 2 StGB).