Die Jugend unter Generalverdacht?
Gemäss SonntagsZeitung und Tages-Anzeiger planen mehrere Kantone Rayonverbote für jugendliche Randalierer (vgl. dazu meine Beiträge zu den widerrechtlichen Ausgangssperren hier und hier). Die Polizei soll die Kompetenz erhalten, Personen von öffentlichen Plätzen und Restaurants fernzuhalten, auch wenn sie kein Delikt begangen haben.
Eine der profiliertesten Sicherheitspolitikerinnen der Schweiz legt das Gedankengut, das hinter diesen Entwicklungen steckt, schonungslos auf den Punkt:
Der Eingriff in die persönliche Freiheit der Jugendlichen ist laut Karin Keller-Sutter, Vorsteherin des St. Galler Sicherheits- und Justizdepartements, nötig, weil es «kein Menschenrecht auf Pöbeleien gibt. Wir müssen die Freiheit derjenigen schützen, die sich anständig verhalten.» (SonntagsZeitung).
Müssen “wir” das wirklich?
Für einen Juristen dünkt mich die von Journalisten so geliebte These des “Generalverdachts” etwas ärmlich bis erbärmlich. Dass man erst mit 18 Auto fahren kann, ist auch eine Einschränkung der persönlichen Freiheit, und es gibt wohl einige Jugendliche, die schon mit 17 reif wären, aber aus Gründen der Praktikabilität (weil man nicht jeden einzeln abklären kann) hat man sich auf eine generelle Regel geeinigt, dass 18 die Limite ist. Das Gleiche gilt für die Strafmündigkeit, oder das AHV-Alter. Wo liegt denn da bitte schön der Unterschied?
Danke für das nette Kompliment und die treffenden Beispiele, sosicles. Die Beschränkung eines Grundrechts (wozu die Strafmündigkeit und das AHV-Alter wohl nicht gehören) bedarf nach Art. 36 BV
– einer gesetzlichen Grundlage
– eines überwiegenden öffentlichen Interesses
– der Verhältnismässigkeit (Erforderlichkeit, Eignung, Angemessenheit)
und darf den Kerngehalt des Grundrechts nicht verletzen. Spätestens bei der Prüfung der Verhältnismässigkeit halten solche Rayonverbote vor der Verfassung nicht Stand.
Den Begriff Generalverdacht haben sich die bösen Journalisten wohl eher bei den erbärmlichen Juristen abgeschaut, meinen Sie nicht?